D>Elektro   |1.2.2|  |>Klaenge + Elemente
      |> Geschichte/n + Klaenge
der modernen elektronischen Musik in Deutschland |<
 
D>Elektro 1.2 - |> das erweiterte Konzept <|
|1.2.2| Klaenge + Elemente

|> Experimente | Klaenge + Konzepte |
|> COMMUNITISMUS |> Leben | Arbeit | Musik
Wir haben mit Taschenrechnern und einer Kinderspielzeug - Miniorgel rumgebastelt. Wir experimentieren, improvisieren - man muß offen sein. Wir fungieren oft medial. Klaenge kommen auf uns zu, man wird selbst zum Medium.
Jeder macht das, was ihm gemaeß ist und weiss um seine Schwaechen und Staerken. Das ergibt sich aus dem langen Zusammenleben.
Ralf Huetter [Kraftwerk]
|> Das Studio > Instrument / Klang + Kommunikationslabor

Anglo-amerikanische Bands gingen nach wie vor den konventionellen Weg, einige Songs zu schreiben, um sie dann in einem kommerziellen Studio mit einem Produzenten in moeglichst kurzer Zeit einzuspielen.
Schon hier beschritten viele deutsche Gruppen neue Wege, die einen erheblichen Einfluss auf die Art ihrer Musik haben sollten.
Nicht nur CAN, Faust und Kraftwerk begannen schon vor der Veroeffentlichung erster Platten sich ihr eigenes Studio, sprich ihre eigenen Produktionsmoeglichkeiten zu schaffen.

|> KommunikationsMusik | Mensch>Mensch

Von groesster Wichtigkeit war fuer viele Gruppen der Aspekt des staendigen gegenseitigen Austausches durch Arbeit / Musik, bzw. der Musik(arbeit) als gemeinsamer Lebens- und Kommunikationsform.
Viele Gruppen wie Faust, CAN, Amon Düül 2 und Harmonia lebten und arbeiteten fuer viele Jahre 'auf Tuchfuehlung'. In den eigenen Haeusern/Studios waren die Kommunikations- und Produktionswege kurz. Taegliches Arbeiten im eigenen kreativen Rhythmus wurde moeglich:

Musik als Lebensform
Daraus wuchs ein musikalisches Verstaendnis innerhalb einer Band wie CAN, welches von ihren Mitgliedern als 'telepathisch' beschrieben wurde.
"Die magische Seite von CAN hat mit unserem Improvisationskonzept zu tun. Man muss offen sein in dem Sinne, dass man zulaesst, dass die Anderen auf einem spielen."
Michael Karoli [CAN]
Auch fuer Gruppen und Musiker wie Tangerine Dream und Klaus Schulze, deren Musik sich in ganz anderen Klangwelten bewegte, war die Improvisation ein Schluesselelement.
Kurz: es war das Bestreben, die Idee von Musik als Kommunikation auf direktem Wege umzusetzen. Eine Kommunikation die in eine neue, spontane Kompostionsform, basierend auf Improvisationen, muendete.
|> Klang | Kommunikation > [spontane] Komposition

Die Faehigkeit des intuitiven Einfuehlens in das Spiel der Anderen sowie die Moeglichkeiten des eigenen Instrumentariums befaehigte insbesondere CAN mit geradezu traumwandlerischem Gespuer - ohne vorherige Absprachen oder den traditionellen Weg der Komposition nach Noten - immer neue musikalische Gebiete zu betreten.

CAN - spontane Komposition
"Wir nannten es nie improvisieren. Wir entwickelten Formen die wir spontane Kompositionen nannten. Zwischen diesen Formen gab es Bezuege, aber die bildeten sich spontan. Mehr noch als spielen musste man lernen zuzuhoeren.
Wir spielten jeden Tag miteinander - jahrelang. Wir schufen uns eine spirituellen, kommunikativen Raum, in dem wir diese Art Musik entwickeln konnten."
|> Leben + Arbeit = Musik = Kommunikation  

"Es handelte sich nicht nur um klangliches Neuland, das betreten werden wollte, es ging um einen völlig neuen Zugang zur Musik.
Um eine totale Veränderung dessen, was bis dahin als Komposition bezeichnet wurde, darum, dass an der mit den neuen Klangmitteln erarbeiteten Gestalt des Tonkunstwerks, die "verborgene" Gestalt seines Erzeugers genauer "dingfest" gemacht werden kann, dass die neue Tonkunst den Ausübenden weit hinein in die Gefilde der eigenen Persona zu bringen imstande ist.
Das war (und ist) ungeheuer aufregend."
Hans-Joachim Roedelius [K/Cluster/Harmonia]
Auch andere Gruppen wie Cluster und Harmonia praktizierten diese Lebens-Arbeits-Musikform. Ihre Pionierarbeit im Bereich von Soundminiaturen und Klangraeumen zog auch Brian Eno nach Deutschland, der hier, Anfang der 70er entscheidende Einfluesse erhielt:
Brian Eno + Harmonia - 1976
"We lived together in an old farmhouse near Hannover. There was an agreement that if we were going to make music together, we should share our lives together.
The music should come out of the way we live, it has to be the thing that we constantly revolve around and refer back to."
Brian Eno ueber seine Arbeit mit Cluster + Harmonia
Diese konsequente Verwirklichung der Idee von Musik als Lebens- und Arbeitsform, als gelebtes Konzept und klingende Philosophie ist sicherlich ein weiterer Grund fuer die Intensitaet und Vielfaeltigkeit der entwickelten musikalischen Innovationen.

Kurzer 'Polit'-Exkurs...
Nicht vergessen werden darf natuerlich auch der Widerstand, auf den diese musikalischen - vor allem aber die gesellschaftlichen 'Kommune' Bewegungen stiessen. [mehr darueber im NEUland Kapitel]
Amon Düül waren eine der ersten und bekanntesten dieser Musiker-Kommunen. Trotz der damit einhergehenden gesellschaftlichen Repressionen vertraten sie ihre Arbeits- und Lebensform auch nach Aussen hin offensiv - betrachteten ihre Arbeit als weit mehr als die des "nur" Musik-machens.

Amon Düül
"Fundamentale Kritik am bestehenden System zu artikulieren, das konnten wir verwirklichen, weil wir mit der Musik ein Modell der Gegengesellschaft gesetzt hatten."
Amon Düül 2 - Selbstdarstellung - 1971

Keine dieser Leben-Arbeits-Kommunen war fuer die Ewigkeit gedacht / gemacht. Doch die Intensitaet des Zusammenlebens- und arbeitens, in allen Hoehen und Tiefen, schlug unweigerlich in die Musik durch.
"The other thing I liked about them was that there was still the sense in them of music as lived philosophy, or played philosophy, the way you worked out your statement about things.
A lot of the German bands like CAN owned their own stuff and stayed outside the common business ways. They were taking a musical position which was the obvious outcome of a philosophical, political and social statement.
I've always wanted music to be bound up with all those things - that's why I became a musician instead of a painter."
Kurzum: Die Einheit von Musik / Arbeit und Leben als Gesamtkunstwerk.
Fuer mich besteht die Musik nicht nur aus den eigentlichem musikalischen Inhalten und 'Regeln'. Unsere Musik faengt schon im normalen Lebensbereich an.
Alles was erfahren und aufgenommen wird fliesst in die Musik ein und wird dann durch die Filtereigenschaften des Bewusstseins in Klang umgesetzt. D. h., wie ich lebe, so mache ich auch Musik.
Edgar Froese [Tangerine Dream]
Ralf Huetter von Kraftwerk - brillant auch im formulieren konzeptioneller Statements - dazu:
"Kraftwerk ist keine Band im eigentlichen Sinne, sondern eine Idee, eine Vision, eine komplett in sich abgeschlossene Lebensphilosophie.
Wir komponieren und spielen nicht nur, wir machen ja auch an unserer Technik, mit Hilfe von Ingenieuren, alles selbst. Wir sehen uns als produktives Team, das nicht nur Musik macht, sondern Technik, Videofilme und andere Dinge.
Wir nennen das Totalmusik.
Das sind nicht nur Toene, das manifestiert sich in einem elektronischen Lebenstil."
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