In diesem Umfeld unabhaengiger Lebens- und Produktionsmoeglichkeiten konnte man sich, befreit von zeitlichem und kommerziellem Druck, die Zeit fuer jene ausgefallenen Experimente nehmen, die noetig war, um die Ideen aus den Koepfen auf die Magnetbaender zu transportieren.
Es war diese Zeit, die fuer die
Suche und das Bearbeiten von Klaengen und Strukturen verwendet wurde, die man in einem normalen Studio nicht haette bezahlen koennen.
Die neuen Moeglichkeiten und Instrumente wollten erkundet werden - Klangforschung war angesagt.
"Es
gibt soviel in der Musik, was sich nicht mit Noten fixieren laeßt,
besonders der Klang.
Die Elektronik bietet
in dieser Beziehung voellig neue
Gestaltungsmoeglichkeiten. Deshalb war fuer mich auch ein Mischpult
immer ein Musikinstrument. Hoer dir mal das Gewitter auf Irrlicht an.
Da hab' ich eine ausgebaute Hammond-Hallspirale als eigenstaendiges
Instrument benutzt, die habe ich so von oben gezupft."
Man eignete sich selbst das noetige Wissen an, sparte sich die Toningenieure und andere Experten. Die Musiker selbst rueckten naeher an die Technologie der Klaenge und an die Moeglichkeiten des Studios als elektronisches Ausdrucksmittel heran.
"Unser
Instrument ist wirklich das Kling
Klang Studio - es existierte von Anfang an als Teil der Gruppe,
so wie ein 'Mutterschiff', aus dem alles kommt.
Ralf Huetter [Kraftwerk]
Ein ungewoehnlicher und persoenlicher Umgang mit der Technik spielte eine wichtige Rolle - und nicht selten ergaben sich die ungewoehnlichen, noch nie gehoerten Klaenge aus einer kreativen Verbindung aus musikalischem Wissen, Ingenieurskunst und Improvisationstalent in allen Bereichen. [Ab und an half natuerlich auch der schiere Zufall.]
"Wir
verbringen viel Zeit mit der Erfindung und dem Bau unserer eigenen
Instrumente sowie der Arbeit am optischem Erscheinungsbild. Es geht
nicht 'nur' um Musik, sondern um die Verbindung
von Ingenieursarbeit, Kunst und Musik."
Ralf Huetter
[Kraftwerk]
Kraftwerk u.a. Musiker kamen auch durch diesen innovativen Umgang mit ihren Instrumenten und der Studiotechnik zu ihrem ganz eigenen Klang.
Alte und neue Technologien wurden kombiniert - das vormals erworbene, teils akademische Wissen, in ungewoehnlichen Experimenten auf den Pruefstand gestellt.
Und mit der Erweiterung des Klangbegriffs ging notwendigerweise eine Erweiterung des Instrumente-Begriffs einher.
"In
den Anfaengen gab es keine Instrumente
die Klaenge wiederholten konnten. Wir arbeiteten mit Echo-Schleifen
und Bandmaschinen, kopierten Sounds dutzendfach um sich wiederholende
Rhythmen zu bekommen.
Wir nutzen alles um neue Klaenge und Hoererlebnisse zu erzeugen.
Da waren zunaechst mal Geraete aus der Mess- und Regeltechnik, wie
Oszillatoren, Sinus- und andere Frequenzgeneratoren. Die wurden miteinander
verbunden, durch ein Hallgeraet geschickt und so weiter..."
Kraftwerk bauten ebenfalls viele ihrer Instrumente selbst. Sie leisteten auch hier Pionierarbeit. Florian Schneider konnte schon 1976 seinen Synthesizer ueber die Loecher seiner Querfloete ansteuern.
"In
1971 Kraftwerk was still without a drummer, so I bought a cheap drum
machine wich had some preset dance rhythms. By changing the basic
sounds with tape echo and filtering we made the rhythm tracks for
our second album.
Our instrumental sounds came from home-made oscillators and an old Hammond Organ that gave us various tonal harmonies with its drawbars. We manipulated the tapes at different speeds for further effects.
We couldn't have achieved these sounds with a traditional drummer.
Later on with our two electronic percussionists, we worked for months
to develop that system, and it changed our lives.
Die Ergebnisse auf der ersten Kraftwerk-LP, wie das Stueck 'Ruckzuck', vermittelten in dieser Art der Klanggestaltung und Bearbeitung den Eindruck einer Musik, die von Maschinen angetrieben wird.
Ein neues Phaenomen.