Mediale, elektronische Unterhaltung, die Mensch und Maschine partnerschaftlich vereint - und massenwirksam ist.
Mit diesem Konzept, welches Kraftwerk und die anderen deutschen Elektro-Musiker auf ihre Weise Wirklichkeit werden liessen, waren sie ganz sicher nicht die 'Totengraeber der Musik', als die sie manche rueckstaendige Kritiker damals bezeichneten.
Vielmehr gaben sie damit die Initialzuendung fuer die ganze Bandbreite elektronischer Musik und Events, wie sie sich uns heute praesentieren.
"Diese
Technologie wird helfen die Kreativitaet vieler Menschen freizusetzen
und zuhause eine Studiotechnologie zur Erzeugung jedes gewuenschten
Klanges zu benutzen."
Ralf Huetter [Kraftwerk]
Kraftwerk, die auch live auf ihren Tascheninstrumenten spielten, brachten unzaehlige Musiker dazu ihre ersten eigenen Schritte zu unternehmen.
Schliesslich: einen Taschenrechner bedienen kann ja wohl jeder...
"In
the early 70's the majority of the, let's say creative groups, were
virtuosos like King Crimson and Yes whose music was very sophisticated.
When I bought 'Autobahn'
I had the feeling that it was changing. For the first time it was
music that was possible
to touch - not being made up with the usual
components of rock. I had the feeling that it was all done by
only one person. This helped me to think, 'Why can't I make music
on my own?'"
"Die
Mensch Maschine war eines der besten, wenn nicht sogar das beste
Elektronik Album der 70er. Zusammen mit CAN
kreierten Kraftwerk eine neue Art der Dance-Music.
Sie haben die Szene auf alle Zeiten veraendert."
Alex Patterson [The Orb]
Kraftwerks gesamte Einfluesse auf die moderne Musik aufzuzaehlen, wuerde ein eigenes Buch erfordern.
Die 'einflussreichtste Gruppe seit den Beatles', die 'Beach Boys aus Duesseldorf' sind
nur zwei der vielen Label, mit denen ihr Einfluss in den letzten Jahren beschrieben wurde.
Von all den Elektro-Pionieren aus Deutschland hat jedoch keine andere Band ihre Faszination fuer elektronische Klaenge so konsequent und mutig dem Pop-Potential dieser Musik gewidmet.
'Trans-Europa-Express', 'Die Roboter' u.a. Lieder waren zugleich weltweite Discotheken-Hits und praegten Prototypen der Industrial-Musik.
Erstaunlicherweise war es Kraftwerk, die wie keine andere deutsche Gruppe auf die Einzigartigkeit und 'Reinheit' ihres Klanges bedacht war, die eine ganze Musikkultur revolutionierte, die ihrerer eigenen nicht ferner sein koennte: die schwarze Musik.
"Most
amazing of all, it's undoubtedly true that without this whitest of
white groups, the history of black music in America would have been
completely different."
Es begann damit, dass schwarze Musiker die Tanzbarkeit von Kraftwerks Maschinenrhythmen fuer sich entdeckten:
"I
discovered Kraftwerk when I became a DJ, because it was possible to
dance to it. Afrika
Bambaataa loved that too: it was the quest for the perfect beat."
Arthur Baker - Produzent
Und wie die deutschen Musiker begannen auch die schwarzen DJ's die Beats miteinander zu collagieren - die beruehmten Breaks / Breakbeats entstanden. So wurde aus zwei alten Kraftwerk-Hits ein neuer, weltweiter Dancefloor Erfolg geschaffen.
"When
Afrika Bambaata took
Kraftwerk's Trans-Europa-Express
and 'Nummern'
and combined them to form 'Planet
Rock', he set in train a movement which, as the rappers say, just
don't stop: not only
was this effectively the birth of hip hop culture, but in Detroit
young black kids like Derrick
May, Juan Atkins, Kevin Saunderson and Carl
Craig fed on Kraftwerk's hypnotic rhythms and developed what later
became known as Techno."
Andy Gill - MOJO Magazine - 4/97
Die Verbindung von den fruehen Hip-Hop und Breakbeat Sounds zum moderneren Techno ist unueberseh/hoerbar - ebenso wie ihre Urspruenge in den Kraftwerk-Klaengen und Rhythmen - oder, wie
Andy Gill es treffend formulierte:
"Scratch
a Techno whizkid or studio
engineer, and 9 times out of 10 you'll find a Kraftwerk fan - the
tenth will be too busy sampling them to respond."
MOJO Magazine - 4/97
||> In + Output | Klangraeume | Puls-geber
"Die
Eigenheit meiner Musik liegt in ihrer Art der technischen Erzeugung
- darin ist sie eher ein Produkt unserer Zeit, als sich dies von anderen
Musikformen sagen laesst.
Wir leben heute nun mal zwischen Atomkraftwerken
und Transistoren - genau dieser Charakter meiner Musik erscheint
mir wichtig. Sie ist ein passender Ausdruck der Zeit,
in der wir leben."
Klaus Schulze
Kein Zweifel: die elektronische Musik ist die Musik unserer Zeit. Techno, Ambient, Trance, Elektro-Musik etc...
Keiner dieser Stile wuerde klingen, wuerde das sein was er heute ist ohne die Pionierarbeit dieser deutschen Elektromusiker. Neben Kraftwerk sind es vor allem Tangerine Dream und Klaus Schulze, deren Rhythmen und Klangraeume bis heute - und sicher noch fuer eine lange Zeit - die gesamte elektronische Musik nachhaltig praegen.
Mittlerweile ist die Technik fuer viele zugaenglich - dementsprechend wuchern die Veroeffentlichungen, kreuzen sich die Stile und Klaenge.
Mit den grob bezeichneten Lagern Techno und Ambient hatten sich die beiden Hauptfelder moderner elektronischer Musik herausgebildet.
Mittlerweile bildeten sich div. Mischformen - die juengste, schlicht 'Elektro' betitelte Form verbindet die Grundelemente der Technobeats mit den eher raumorientierten Ambient-Klaengen - plus eine Prise Musique Concrete.
Verfolgt man die Toene zurueck, wird man jedoch, speziell im Ambient / Trance Bereich immer wieder bei den massgeblichen Platten von Schulze oder Tangerine Dream landen - fuer die Musique Concrete eher bei Conrad Schnitzler.
Die Wichtigkeit und gegenwaertige Wiederentdeckung dieser Pioniertaten hat jedoch nicht nur damit zu tun das man hier zu den Quellen und Urformen der unterschiedlichen Klang-Bereiche gelangt. Es ist vielmehr als schliesse sich der Kreis, als wuerden nach einer langen Phase der Aufspaltungen, die Klaenge wieder zu einer urspruenglicheren Syntheseform zusammenkommen.
Klaus Schulze ist zweifellos einer der grossen Experimentalisten und 'Synthetiker'.
Schon in seiner fruehen Musik finden sich die Grundformen sowohl Techno - orientierer Rhyhtmik als auch Klangraumlich-ausgerichteter Ambient - Formen - oft in den selben Stuecken, wie z.B. 'Frank Herbert' von 1978.
Hoert man das 1973 entstandene Stueck Mental Door, fragt man sich unweiger- lich, wie Schulze es schaffte, mit seinem vergleichsweise urzeitlichem Equipment, zu klingen, wie die angesagtesten Elektro-Combos der Gegenwart.
Schulze arbeitet auch wie kein anderer Musiker an den Schnittstellen von moderner Elektronik und klassischer Musik. Diese Synthesen ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Gesamtwerk. Schon auf seinem Debut Album Irrlicht strebte er, selber noch lernend und im ABC der Transistoren seiner Mini-Orgel verhaftet, nach der Synthese aus kuenstlich/elektronischen und symphonischen Klaengen.
Voices of Syn von 1974 enthaelt eine 'Verdi Collage' die fliessend in die pusierende Urform eines Techno-Puls-Beats uebergeht. Auf 'X' sind ganze Orchester perfekt in die-Schulze'schen Synth-Klangraeume integriert. Wohl die ersten elektro-klassichen Symphonien.
Diese vielfaeltigen Synthesen, die mittlerweile auch Elemente der 'World Music' enthalten, betreibt Schulze bis heute fort. Seine unbeirrbare Experimentierlust sucht seinesgleichen - nicht nur im Elektronik-Bereich.
"Long
before Brian Eno dubbed
the approach 'ambient', Edgar
Froese [Tangerine Dream] was creating beautiful ethereal soundscapes
and before pop invented 'techno', he was boogying with his Moog Synthesizer."
N'csle Journal; USA
Von ebensolcher Bedeutung ist die Arbeit von Tangerine Dream - ebenso experimentier- und synthese-freundlich wie Schulze, jedoch international noch erfolgreicher. Die aetherischen Klanglandschaften auf Platten wie Rubycon und Phaedra haben dem gesamten Ambient / Trance Genre eine entscheidende Praegung verliehen.
Doch TD's Klangforschung ging weit ueber diese Klanglandschaften hinaus. Im Gegensatz zu vielen Ambient-Musikern die nach ihnen kamen, schreckten TD, besonders in der ersten Dekade ihres Bestehens, nie vor 'Krach' und 'Industrial' Elementen zurueck - insbesondere in ihren Konzerten der 70er Jahre.
Ricochet z.B. verbindet auf einer [kurzen] Plattenseite lyrisch-schwebende Solo-Piano und Elektro-Akustik Sounds, treibende Sequencer-Beats und das Gehaemmere synthetischer Fabriken.
TD hat in seiner nun 30jaehrigen Entwicklung alle Kompositions-und Spielmoeglichkeiten elektronischer Musik durchlaufen. Ihr Spektrum umfasst von kargen elektronischen Klangraeumen, ueber schwebend-pulsierende Trance-Reisen bis zu fast abstrakten Klang-Collagen die gesamte Spannbreite elektronischer Musik.
Und gerade in ihren Konzerten, bei denen sie lange Zeit auf freier Improvisationsbasis arbeiteten und komponierten, gelangen ihnen die faszinierendsten Synthesen dieser Elemente.
Klangforschung im wahrsten Sinn.
Die spezielle Magie dieser Forschungsreisen laesst sich schwer in Worte fassen. Auch in ihren experimentellsten Klangformen bleibt sie ist hochgradig imaginativ und innere Bilder beschwoerend. Sicherlich der Hauptgrund, warum TD zu einem der meistgesuchten Soundtrack-Produzenten Hollywoods wurde.
Gemeinsam ist Klaus Schulze und Tangerine Dream, dass sie, wie Kraftwerk in ihrem Bereich, zu den sprichwoertlichen Im-Pulsgebern im Umgang mit elektronischen Klaengen wurden.
Die treibenden Beats aus TD's und Schulzes Sequencern sind der klingende Beweis gegen das Vorurteil der vermeintlichen Kaelte elektronischer Musik.
Ihre Musik besteht auch - und gerade deswegen - den 'Test der Zeit', weil sie ihre neuen Instrumentarien und Moeglichkeiten immer in das experimentelle Potential, in die Suche nach neuen, EIGENEN Klaengen investieren - und nicht fuer die Kopie vorhandener Muster und Toene.
Das sie mit [und auf] dem kommunikativen und, ja auch dem poetischen Potential ihrer Maschinen spielen.
Wie frueh sie klangliches NeuLand betraten wird vielen erst heute bewusst, wo diese Klangraeume im aktuellen Elektro-Musik-Fieber [wieder]entdeckt und ihre Stil-Synthesen in den Studiolaboren von Neuem aufgenommen und fortgefuehrt werden.