D>Elektro   |1.2.2|  |>Klaenge + Elemente
      |> Geschichte/n + Klaenge
der modernen elektronischen Musik in Deutschland |<
 
D>Elektro 1.2 - |> das erweiterte Konzept <|
|1.2.2| Klaenge + Elemente

|> Experimente | Klaenge + Konzepte |
| Wirkungen | Entwicklungen | 2 |

||> In + Output | Ethno | Punk | [und mehr] |

Die Wirkung deutscher Elektroklaenge ist in der Tat weit ueber Deutschland hinausgegangen - auch in die Bereiche nicht-synthetischer Klaenge. Sogenannte 'Ethno' Elemente spielten in die Musik herein - und wirkten aus ihr heraus.

Auch auf diesem Gebiet gibt es eine starke Verbindung zwischen den musikalischen Gegenpolen CAN und Kraftwerk.
Anders als Kraftwerk jedoch integrierten CAN von Beginn an zahlreiche Einfluesse ethnischer Musikstile in ihre eigenen Kompositionen.
In ihren E.F.S. ['Ethnological Forgery Series'] Experimenten verarbeitete die Gruppe ganz bewusst die Musikformen fremder Kulturkreise.
"CAN waren die ersten, die die Moeglichkeiten der Ethno-Collagen erkundeten, Jahre vor dem wachsenden oeffentlichen Interesse an Reggae und panafrikanischer Musik.
Unverkennbar haben sie das Interesse an der sogenannten 'World Music' vorweggenommen, indem sie asiatische, afrikanische u.a. Elemente in ihre Arbeit integrierten"
Pascal Bussy
CAN CAN begnuegten sich aber nicht damit, div. Global-Folk Elemente als reine Zitate in ihre Musik einzubauen. Sie kombinierten auf ihre eigene, unkonventionelle Weise die unterschiedlichsten Elemente.

In Transcendental Express treffen CAN-typische kristalline Keyboardfaecher auf ein stilechtes Banjo - und mit den einfachsten Mitteln entstand ein atmosphaerisch dichter Space-Western Soundtrack mit ironischem Unterton.

CAN waren Meister der Beschraenkung und der Vielfalt zugleich. Diese selbstauferlegte Limitierung auf die musikalischen Grundbausteine und ein relativ konventionelles Instrumentarium, liess sie jedoch nur umso staerker alle Variationen, alle Spiel- und Klangformen erproben - Synthetiker auf ihre Art.
Eine Parallele liesse sich zum ebenso 'minimalen' Namen der Band ziehen - drei Buchstaben, die viele Bedeutungen annehmen koennen: z.B. tuerkisch fuer 'Leben / Seele', japanisch fuer 'Gefuehl / Liebe' - oder eben, ganz profan: Dose.

CAN entwickelten mechanisch / metronomische Rhythmen [wie sie heute allerorten im Drum 'n' Bass eingesetzt werden] - ohne Drumcomputer und Sequencer; sie sponnen ambienthafte Soundflaechen - ohne Synthesizer und Keyboardbatterien.
CAN's Einsatz von Elektronik war subtiler und nie um seiner selbst willen.
Er zeigt sich eher in den Studio / Klang-Experimenten und in der speziell von Holger Czukay entwickelten Montageform. Doch wenn es das Spiel nicht erforderte, konzentrierte man sich auf die allereinfachsten Elemente.
CAN's ist eine Art musikalischer Wechselbalg, der seine 4-5 musikalischen Grund-Elemente / Musiker, wie im Spiel mit einem Chemiebaukasten, auf immer neue, vielgesichtige Weise zusammensetzt.
Im Gegensatz zu Kraftwerk, den Puristen des Klangs, waren CAN der grosse Melting-Pot - der aber, durch seinen ausgepraegten Minimalismus und seine eigenen Montagetechniken, nie seine individuelle Note und Kraft verlor. CANs minimal-magische Rhythmen gehoeren bis heute zu den einflussreichsten der modernen Musik.
"In den spaeten siebziger Jahren dienten sie auch vielen 'New Wave' und 'Punk' Musikern als Inspirationsquelle.
John Lydon (Sex Pistols / P.I.L.), Cabaret Voltaire, The Buzzcocks, The Fall, Wire, The Stranglers, Julian Cope, Siouxsie und DAF, um nur einige zu nennen, bezogen sich alle ausdruecklich auf CAN als einen ihrer groessten Einfluesse. Andere, unter ihnen die Talking Heads und die Eurythmics, haben ihnen in stilistischer Hinsicht viel zu verdanken."
Pascal Bussy
Und wie sehr sich auch die heutigen Techno - Ambient / Drum 'n' Bass / Elektro-Musiker CAN verpflichtet fuehlen, dokumentierten juengst eine Vielzahl der Besten von ihnen auf einer Doppel-CD mit CAN-Remixen.
|> Globalisierung

Selbst Kraftwerk, die lange Zeit entschieden auf ihrem deutschen, bzw. europaeischen Kulturbezug beharrten, haben in den letzten Jahren begonnen, sich fremden Einfluessen zu oeffnen.
Seit Ralf Huetter und Florian Schneider die Geburt der schwarzen Breakbeats - basierend u.a. auf ihren eigenen Rhythmen - in den New Yorker Klubs selbst miterlebten, ist auch ein Feedback zurueck in ihre Musik nicht zu ueberhoeren. Ihre letzte Platte weist einige dieser extrem tanzbaren Breakbeats auf, und auch ein funkiger Basston wird angeschlagen.

Mit der weltweiten Ausbreitung ihrer Maschinenbeats- und Klaenge hat sich auch die eigene Perspektive geweitet:

"Das mechanische Universum von Kraftwerk wurde geklont und kopiert in Detroit, Bruessel, Mailand und Manchester - sogar psychedelisiert im Delirium der House-Music. Nenn es wie du willst: Sci-Fi Music, Techno-Disco, Cybernetic Rock. Ich bevorzuge trotz allem den Ausdruck Robot-Pop.
Er passt in unser Konzept, naemlich konsequent weiterzuarbeiten an der Konstruktion des perfekten Pop-Songs fuer die Staemme des globalen Dorfs.
Unsere Musik ist gut, wenn Schwarze und Weisse zugleich darauf tanzen koennen."
Ralf Huetter [Kraftwerk]
||> Nicht zu Vergessen

Die obige Fixierung auf CAN | Kraftwerk | Klaus Schulze + Tangerine Dream bedeutet keinesfalls, dass nur diese, sehr gegensaetzlichen Musiker, Einfluss auf die Entwicklung der elektronischen Musik genommen haetten.

Vor allem in den heute als Ambient / Trance bezeichneten Richtungen gibt es zahlreiche deutsche Pioniere. Brian Eno wird immer wieder als Ambient-Erfinder genannt - aber entwickelt wurden diese Klaenge von Cluster, Harmonia, Tangerine Dream, Ashra [M. Göttsching], Klaus Schulze u.a. Musikern - und das in ihrer ganzen Bandbreite.
Die Arbeiten von Manuel Göttsching [Kopf von Ashra] sind in mehrerer Hinsicht exemplarisch fuer viele andere dieser deutschen Musiker: sie sind - gerade bei den Musikern im sog. Ambient-Bereich ungeheuer einflussreich, sie erforschten und praegten diese Richtung noch bevor es den Begriff "Ambient" gab - und sind, vielleicht gerade deshalb, dem weiteren Publikum beileibe nicht so bekannt, wie sie es verdient haetten. Um nur ein gutes Beispiel dafuer zu nennen: Göttschings Solo-Album E2-E4, aufgenommen schon im Jahre 1981....
E2-E4 is unique in many ways.
One can hear early traces of what would become techno and trance music. It's driving computer rhythms and subtly changing sequencer patterns are both hypnotic and innovative.
A pioneering piece of work - among Göttsching's best.
E2-E4 is genuine, and set the trend for trance/dance music almost a full decade before it became one.
A masterwork from an essential master.
L. Bourland | 'Beyond the Horizon' | USA
Verbindungen dieser Klangwelten zur Minimal- und zur klassischen Musik wurden z.B. von Cluster - und vor allem von Klaus Schulze im symphonischen Bereich gezogen.
So nimmt es nicht Wunder, dass sich juengere Elektromusiker heute darum draengen, mit den Begruendern diese Klaenge zusammen zu arbeiten. Seit einigen Jahren schon spielt Klaus Schulze zusammen mit Pete Namlook, einem juengeren, profilierten Elektroniker aus Frankfurt, sowie mit dem renommierten Bill Laswell eine ganze Reihe von CD's unter dem Titel 'Dark Side of the Moog' ein.
Ashra haben fuer ihre letzten Konzerte [u.a. in Japan] und Veroeffentlichungen mit Steve Baltes ein neues Mitglied aus der Frankfurter Techno Szene aufgenommen.
Cluster wurden von jungen amerikanischen Elektronauten auf eine gemeinsame US-Tournee eingeladen - und die Kollaborationen von Hans-Joachim Roedelius [Cluster / Harmonia] mit Musikern aus aller Welt sind nicht mehr zu zaehlen. Der Umfang und die Vielseitigkeit seines veroeffentlichten Werkes - von Solo-Piano Aufnahmen bis zu Ethno- und avantgardistischen Elektronik-Experimenten - sucht seinesgleichen. [Seine Arbeit, sowie die von Kluster/Cluster & Harmonia, soll im Verlaufe dieses Work-in-Progress noch sehr viel eingehender vorgestellt werden.]
Gruppen wie Popol Vuh (bekannt vor allem durch ihre Soundtracks fuer Werner Herzog), die Dissidenten, Embryo und Chris Karrer [Amon Düül 2] haben schon lange vor der allgemeinen World-Music Begeisterung mit musikalischen Elementen aus allen Erdteilen gearbeitet, die sie vor Ort studierten.

Doch nicht nur die Musikrichtungen, die zunaechst mit Synthesizern und Drum-Machines in Verbindung gebracht werden, wurden von diesen Musikern beeinflusst.
Auch die letzte wirklich anarchische Musikbewegung, der Punk, unausloeschlich assoziiert mit den 3 Griffen auf der Gitarre, bezog wichtige Impulse von deutschen Vorlaeufern wie NEU! und Amon Düül 2.

"Es war der Einfluss von NEU! der dazu fuehrte, dass David Bowie seine 'Low'-Richtung einschlug.
Und NEU's unmittelbaren Effekt auf die Sex Pistols, kann man nachpruefen, indem man einfach 'NEU 75' nach irgend einer beliebigen Sex-Pistols-Single spielt - ploetzlich erklaert britischer Punk sich von selbst.
Es waren Klaus Dinger und Michael Rother, denen die Ehre gebuehrt, und die ihnen nie wirklich erwiesen wurde. Alles, was Neu! machten, war Proto- Punk und Lichtjahre voraus."
Julian Cope - 'Krautrocksampler'
...und diese angedeutete Liste ist laengst nicht vollstaendig.


Das Wissen um die Pionierarbeiten und Einfluesse der oben genannten Musiker beginnt sich, hauptsaechlich im Ausland, herumzusprechen.
Eine umfassende Bestandsaufnahme und Wuerdigung der enormen Bandbreite moderner elektronischer Musik aus Deutschland, steht allerdings aus.
|> Sie ist ueberfaellig.
Diese Site mag als erster Ansatz dienen - ohne Anspruch auf Vollstaendigkeit - oder totale 'Objektivitaet'.

Doch abgesehen davon - all das ist weder die ganze Geschichte - noch ist es schon Geschichte.
D>ie Geschichten und Klaenge gehen weiter |> auch heute...

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