Die Wirkung deutscher Elektroklaenge ist in der Tat weit ueber Deutschland hinausgegangen - auch in die Bereiche nicht-synthetischer Klaenge. Sogenannte 'Ethno' Elemente spielten in die Musik herein - und wirkten aus ihr heraus.
Auch auf diesem Gebiet gibt es eine starke Verbindung zwischen den musikalischen Gegenpolen CAN und Kraftwerk.
Anders als Kraftwerk jedoch integrierten CAN von Beginn an zahlreiche Einfluesse ethnischer Musikstile in ihre eigenen Kompositionen.
"CAN
waren die ersten, die die Moeglichkeiten der Ethno-Collagen erkundeten,
Jahre vor dem wachsenden oeffentlichen Interesse an Reggae und panafrikanischer
Musik.
Unverkennbar haben sie das Interesse an der sogenannten 'World
Music' vorweggenommen, indem sie asiatische, afrikanische u.a.
Elemente in ihre Arbeit integrierten"
Pascal Bussy
CAN begnuegten sich aber nicht damit, div. Global-Folk Elemente als reine Zitate in ihre Musik einzubauen. Sie kombinierten auf ihre eigene, unkonventionelle Weise die unterschiedlichsten Elemente.
In Transcendental Express treffen CAN-typische kristalline Keyboardfaecher auf ein stilechtes Banjo - und mit den einfachsten Mitteln entstand ein atmosphaerisch dichter Space-Western Soundtrack mit ironischem Unterton.
CAN waren Meister der Beschraenkung und der Vielfalt zugleich. Diese selbstauferlegte Limitierung auf die musikalischen Grundbausteine und ein relativ konventionelles Instrumentarium, liess sie jedoch nur umso staerker alle Variationen, alle Spiel- und Klangformen erproben - Synthetiker auf ihre Art.
Eine Parallele liesse sich zum ebenso 'minimalen' Namen der Band ziehen - drei Buchstaben, die viele Bedeutungen annehmen koennen: z.B. tuerkisch fuer 'Leben / Seele', japanisch fuer 'Gefuehl / Liebe' - oder eben, ganz profan: Dose.
CAN's ist eine Art musikalischer Wechselbalg, der seine 4-5 musikalischen Grund-Elemente / Musiker, wie im Spiel mit einem Chemiebaukasten, auf immer neue, vielgesichtige Weise zusammensetzt.
Im Gegensatz zu Kraftwerk,
den Puristen des Klangs, waren CAN
der grosse Melting-Pot - der aber, durch seinen ausgepraegten Minimalismus
und seine eigenen Montagetechniken, nie seine individuelle Note und Kraft
verlor. CANs minimal-magische
Rhythmen gehoeren bis heute zu den einflussreichsten
der modernen Musik.
"In
den spaeten siebziger Jahren dienten sie auch vielen 'New Wave' und
'Punk' Musikern als Inspirationsquelle.
John Lydon (Sex Pistols / P.I.L.), Cabaret
Voltaire, The Buzzcocks, The Fall, Wire, The Stranglers, Julian
Cope, Siouxsie und DAF, um nur einige zu nennen, bezogen sich alle
ausdruecklich auf CAN als einen ihrer groessten Einfluesse. Andere,
unter ihnen die Talking
Heads und die Eurythmics, haben ihnen in stilistischer Hinsicht
viel zu verdanken."
Selbst Kraftwerk, die lange Zeit entschieden auf ihrem deutschen, bzw. europaeischen Kulturbezug beharrten, haben in den letzten Jahren begonnen, sich fremden Einfluessen zu oeffnen.
Seit Ralf Huetter und Florian Schneider die Geburt der schwarzen Breakbeats - basierend u.a. auf ihren eigenen Rhythmen - in den New Yorker Klubs selbst miterlebten, ist auch ein Feedback zurueck in ihre Musik nicht zu ueberhoeren. Ihre letzte Platte weist einige dieser extrem tanzbaren Breakbeats auf, und auch ein funkiger Basston wird angeschlagen.
"Das
mechanische
Universum von Kraftwerk wurde geklont und kopiert in Detroit,
Bruessel, Mailand und Manchester
- sogar psychedelisiert im Delirium der House-Music. Nenn es wie du
willst: Sci-Fi Music, Techno-Disco, Cybernetic Rock. Ich bevorzuge
trotz allem den Ausdruck Robot-Pop.
Er passt in unser Konzept, naemlich konsequent weiterzuarbeiten an
der Konstruktion des perfekten Pop-Songs fuer die Staemme des globalen
Dorfs.
Unsere Musik ist gut, wenn Schwarze und Weisse zugleich darauf tanzen
koennen."
Die obige Fixierung auf CAN | Kraftwerk | Klaus Schulze + Tangerine Dream bedeutet keinesfalls, dass nur diese, sehr gegensaetzlichen Musiker, Einfluss auf die Entwicklung der elektronischen Musik genommen haetten.
Vor allem in den heute als Ambient / Trance bezeichneten Richtungen gibt es zahlreiche deutsche Pioniere. Brian Eno wird immer wieder als Ambient-Erfinder genannt - aber entwickelt wurden diese Klaenge von Cluster, Harmonia, Tangerine Dream, Ashra [M. Göttsching], Klaus Schulze u.a. Musikern - und das in ihrer ganzen Bandbreite.
Die Arbeiten von Manuel Göttsching [Kopf von Ashra] sind in mehrerer Hinsicht exemplarisch fuer viele andere dieser deutschen Musiker: sie sind - gerade bei den Musikern im sog. Ambient-Bereich ungeheuer einflussreich, sie erforschten und praegten diese Richtung noch bevor es den Begriff "Ambient" gab - und sind, vielleicht gerade deshalb, dem weiteren Publikum beileibe nicht so bekannt, wie sie es verdient haetten. Um nur ein gutes Beispiel dafuer zu nennen: Göttschings Solo-Album E2-E4, aufgenommen schon im Jahre 1981....
E2-E4
is unique in many ways.
One can hear early traces of what would become techno and trance music.
It's driving computer rhythms and subtly changing sequencer patterns
are both hypnotic and innovative.
A pioneering piece of work - among Göttsching's best.
E2-E4 is genuine, and set the trend for trance/dance music almost a full decade before it became one.
A masterwork from an essential
master.
So nimmt es nicht Wunder, dass sich juengere Elektromusiker heute darum draengen, mit den Begruendern diese Klaenge zusammen zu arbeiten. Seit einigen Jahren schon spielt Klaus Schulze zusammen mit Pete Namlook, einem juengeren, profilierten Elektroniker aus Frankfurt, sowie mit dem renommierten Bill Laswell eine ganze Reihe von CD's unter dem Titel 'Dark Side of the Moog' ein.
Ashra haben fuer ihre letzten Konzerte [u.a. in Japan] und Veroeffentlichungen mit Steve Baltes ein neues Mitglied aus der Frankfurter Techno Szene aufgenommen.
Cluster wurden von jungen amerikanischen Elektronauten auf eine gemeinsame US-Tournee eingeladen - und die Kollaborationen von Hans-Joachim Roedelius [Cluster / Harmonia] mit Musikern aus aller Welt sind nicht mehr zu zaehlen. Der Umfang und die Vielseitigkeit seines veroeffentlichten Werkes - von Solo-Piano Aufnahmen bis zu Ethno- und avantgardistischen Elektronik-Experimenten - sucht seinesgleichen. [Seine Arbeit, sowie die von Kluster/Cluster & Harmonia, soll im Verlaufe dieses Work-in-Progress noch sehr viel eingehender vorgestellt werden.]
Gruppen wie Popol Vuh (bekannt vor allem durch ihre Soundtracks fuer Werner Herzog), die Dissidenten, Embryo und Chris Karrer [Amon Düül 2] haben schon lange vor der allgemeinen World-Music Begeisterung mit musikalischen Elementen aus allen Erdteilen gearbeitet, die sie vor Ort studierten.
Doch nicht nur die Musikrichtungen, die zunaechst mit Synthesizern und Drum-Machines in Verbindung gebracht werden, wurden von diesen Musikern beeinflusst.
Auch die letzte wirklich anarchische Musikbewegung, der Punk, unausloeschlich assoziiert mit den 3 Griffen auf der Gitarre, bezog wichtige Impulse von deutschen Vorlaeufern wie NEU! und Amon Düül 2.
"Es
war der Einfluss von NEU!
der dazu fuehrte, dass David
Bowie seine 'Low'-Richtung einschlug.
Und NEU's unmittelbaren Effekt
auf die Sex Pistols, kann man nachpruefen, indem man einfach 'NEU
75' nach irgend einer beliebigen Sex-Pistols-Single spielt - ploetzlich
erklaert britischer Punk sich von selbst.
Es waren Klaus Dinger
und Michael Rother,
denen die Ehre gebuehrt, und die ihnen nie wirklich erwiesen wurde.
Alles, was Neu! machten, war
Proto- Punk und Lichtjahre voraus."
Julian Cope
- 'Krautrocksampler'
...und diese angedeutete Liste ist laengst nicht vollstaendig.
Das Wissen um die Pionierarbeiten und Einfluesse der oben genannten Musiker beginnt sich, hauptsaechlich im Ausland, herumzusprechen.
Eine umfassende Bestandsaufnahme und Wuerdigung der enormen Bandbreite moderner elektronischer Musik aus Deutschland, steht allerdings aus.
|> Sie ist ueberfaellig.
Diese Site mag als erster Ansatz dienen - ohne Anspruch auf Vollstaendigkeit - oder totale 'Objektivitaet'.
Doch abgesehen davon - all das ist weder die ganze Geschichte - noch ist es schon Geschichte.
D>ie Geschichten und Klaenge gehen weiter |> auch heute...