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der modernen elektronischen Musik in Deutschland |<
 
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|1.2.2| Klaenge + Elemente

|> Experimente | Klaenge + Konzepte |
| Fusion: Live - Studio | Remix | Miniaturalismus |

All diese Experimente und Entwicklungen blieben aber nicht nur auf die Studioarbeit beschraenkt.

Durch die Moeglichkeiten des neuen Instrumentariums liess sich bereits eingespieltes Material - einzelne Klaenge, Sequenzen oder komplexere Stuecke - flexibel miteinander verbinden, liessen sich neue Variationen erproben.
Insbesondere Musiker wie Klaus Schulze und Tangerine Dream hatten die Moeglichkeit auch live anhand von mehr oder weniger festgelegten musikalischen Parametern und Strukturen ihre Musik zu entwickeln.
Je mehr die musikalischen Maschinen auch live an Klaengen aufnehmen und bereitstellen konnten, desto groessere Interaktions- und Dialogmoeglichkeiten ergaben sich zu ihr fuer die Musiker. Waren, wie bei Tangerine Dream, gleich drei Musiker an diesen Instrumenten zugange, konnten sich auch live sehr komplexe Klangexperimente verwirklichen lassen.
Tangerine Dream
Die Entwicklung der Hardware spielte dabei - vor allem in diesem Bereich elektronischer / 'synthetischer' Sounds eine wichtige Rolle und beeinflusste in erheblichem Masse die Spiel- und Kompositionsprozesse.
Durch die verbesserten Moeglichkeiten der Abspeicherung und der genauen Ansteuerung speziell erzeugter Klaenge, wurde ein komplexeres - und auch freieres Spielen / Improvisieren und Komponieren auch auf der Buehne moeglich.
Klangerzeugungstechniken, wie sie bisher nur gut ausgeruestete Studios boten, ermoeglichten den Musikern zunehmend sich in einer enormen Spannbreite zwischen [nach wie vor] absolut freier Improvisation und der Variation einer ganzen Palette festgelegter und ansteuerbarer musikalischer Events zu bewegen.
Das in den Fruehzeiten elektronischer Instrumente eher unberechenbare Eigenleben der Instrumente wurde sprichwoertlich berechenbarer. Ihr Eigenleben wurde mittels Speicherplaetze und zusaetzlicher Schnittstellen komplexer und zugaenglicher.
Je mehr musikalische Intelligenz die Musiker an die Maschinen weiter- bzw. in sie eingeben konnten, desto befreiter wurden sie vom 'mechanischeren' Teil ihres Spiels. Und je intelligenter / programmierbarer die Maschinen wurden, desto 'menschlicher' konnten sie klingen, indem sich Rhythmen, Klangfarben usw. wesentlich flexibler veraendern liessen.
Dabei moegen gewisse chaotisch-kreative Elemente weggefallen sein - doch das ewig freie Improvisieren unter immer gleichen Bedingungen waere wohl kaum eine wuenschenswerte Alternative.
Wichtig war und blieb der erfindungsreiche Umgang mit den gebotenen Moeglichkeiten - ein kontinuierliches Austausch-Wechselspiel menschlicher Ideen und maschineller Moeglichkeiten.
Durch dieses Zusammen-Spiel mit ihren Maschinen, hervorgegangen aus den vorher entwickelten Improvisationsformen, entwickelten diese Musiker eine der heutzutage wichtigsten Formen der Komposition: den REMIX.
> Radio-Inter-Aktivitaet + Live-DJ-ing

Auch Kraftwerk und CAN arbeiteten im Rahmen ihrer Konzerte mit diesen neuen Elementen und setzten die im Studio gesammelten Erfahrungen um.

Bei CAN, die auch live dem Prinzip spontaner Komposition folgten, war es wiederum Holger Czukay, der die wichtigsten Experimente betrieb. Wie im Studio wollte er auch im Konzert eine Collage- und Mix-Situation herstellen und mit aeusseren, teils unkalkulierbaren Klangeinfluessen arbeiten, auf die die Band zu reagieren hat.
Ab 1977 begann er sich bei Konzerten auf vorgefertigte Tapes, einen Kurzwellensender, sein Diktaphon und ein Telefon zu konzentrieren.

"Als ich bei CAN anfing, mit dem Radio zu spielen, fand ich, dass wir nicht nur einen Saenger gefunden hatten, sondern Tausende! Mit dem Radio, so stellte ich mir vor, haetten wir per Kurzwellensender die Konzerte der Gruppe uebertragen zu koennen.
Ich wollte eine Art DJ von CAN werden - die Leute haetten gehoert, was ich gerade sagte und sendete - und vielleicht haette irgendein Amateur irgendwo auf der Welt darauf geantwortet, seine Nachricht waere dann genauso Teil des Konzerts gewesen wie die Band selbst.
Das Telefon war eher eine Art Witz - waehrend eines Konzerts wollte ich irgendjemanden anrufen und die Stimme in die Musik einbauen. Diese Art von Interaktion wollte ich erreichen."
Holger Czukay
CAN selbst existierte nicht mehr lange genug, um diese Experimente weiter voranzutreiben. Doch der Gedanke des Live-DJ-ing, die spontane Live-Komposition durch Collagierung und Verschneidung verschiedenster Klang- und Musikmaterialien, ist mittlerweile zur breitesten musikalischen Bewegung der letzten Jahre avanciert.
Auf ihre eigene Art - und wie immer dem Gedanken der Effizienz verpflichtet - haben auch Kraftwerk entscheidend zu dieser Entwicklung beigetragen.
|> Der [Re]-MIX |

Auch fuer Kraftwerk, deren Musik sich stark auf maschinisierte und computerisierte Ablauefe stuetzt, stellte sich die Unterscheidung zwischen Live- und Studio-Arbeit/Spiel schon bald als eher absurde Frage dar.

Die Mensch-Maschinen-Schnittstellen, die Kraftwerk wie keine andere Gruppe untersuchten UND thematisierten, führten die Gruppe 'automatisch' immer mehr vom Bereich des Spielens in den des Mixens.
Das individuelle, virtuose Spiel, welches nach wie vor mit den traditionellen / akustischen Instrumenten verbunden ist [und gerade bei Konzerten verlangt wird], tritt in dieser avancierten Art der elektronischen Musik in den Hintergrund.
Studio-typische Arbeit, wie das Abrufen von Klaengen und Sequenzen - das Mixen verschiedener Programme, bestimmten nun auch waehrend der Konzerte die Arbeit der Band.
Es gilt, die optimale Kommunikation, einen "Energieaustausch" zwischen Musikern und Maschinen zu stimulieren - um gute, stimmige Musik entstehen zu lassen.
"Im Kling Klang Studio, der Maschine auf der wir spielen, wird das gesamte Studio zu unserem Instrument und der Prozess des Mixens wird zum eigentlichen Spiel."
Ralf Huetter [Kraftwerk]
Auch Kraftwerk, die sich wesentlich staerker im Pop / Song orientierten Bereich der Elektronik bewegen, als z.B. Klaus Schulze oder Tangerine Dream, haben sich von Beginn an die Moeglichkeiten des Re-Mixens zunutze gemacht.
Ueber die Jahre hinweg wurden nicht nur die typischen Kraftwerk-Klaenge den neuen [digitalen] Moeglichkeiten angepasst - auch die gesamten Rhythmus-Strukturen wurden 'ge-updated'. So wurden die Original-Aufnahmen zu Beta-Versionen, die von Tournee zu Tournee einschneidende Aenderungen erfuhren und teilweise - in heute gaengiger DJ-Manier - miteinander collagiert wurden.
Ein Vergleich der Original Version von 'Radioaktivitaet' von 1975 mit der MIX-Version von 1991 gibt einen guten Eindruck dieser [Re]-Mix Technik

1991 veroeffentlichte Kraftwerk die - konsequenterweise - THE MIX betitelte CD - eine Kompilation neu-eingespielter, bzw. ueberarbeiteter Kraftwerk 'Klassiker'.

|> Miniaturalismus

Die Gruppe sah schon frueh die Parallele zwischen ihrer eigenen Vorliebe fuer Miniatur-Instrumente und der parallel laufenden Entwicklung im Computerbereich, Soft- und Hardware zu immer kompakteren Einheiten zu verbinden.

Kraftwerks Album 'Computerwelt' beschaeftigt sich mit eben diesen Entwicklungen: der Miniaturisierung von Technik, die so in alle Bereiche des Lebens vordringen kann - ob gut ('Heimcomputer' / der 'Taschenrechner' als Musikinstrument usw.) oder schlecht ('Computerwelt' - Ueberwachung).
Kraftwerks zunehmende eigene Computerisierung sowie ihr Konzept des Gesamtkunstwerks brachte sie konsequenterweise dahin, ihr eigenes 'Kling Klang' Studio in transportable Einheiten umzubauen.
"Unser Studio ist sehr kompakt: es passt jetzt in nur 10 Einheiten. Wir brauchen nur einen Truck - sehr wenig, verglichen zu den ueblichen Rock-Standards. Wir moegen kleine Geraete, z. B. Taschenrechner. Das ist ganz sicher der zukuenftige Weg."
Ralf Huetter [Kraftwerk]
Kraftwerk's Kling Klang Studio
Mit der 81er 'Computerwelt' Tournee, war es dann geschafft: Musiker und Studio waren zur kompakten Arbeitseinheit verschmolzen. Wo Kraftwerk waren, war das Kling Klang Studio und kam als ihr ureigenstes Instrumentund Klangkoerper auf die Buehne. Dabei dient es als Musik-Maschine und Buehnenbild zugleich.
"Unser Studio ist unser elektronisches Wohnzimmer, unser kleines Haus, also nehmen wir es auch mit uns auf Tournee."
Ralf Huetter [Kraftwerk]
Mit den gesamten Moeglichkeiten ihres mobilen elektronischen Wohnzimmers in Griffweite, war auch live eine perfekte medial - gesamtkunstwerkliche Umsetzung ihrer Ideen moeglich. Nicht nur Klaenge und Videos konnten synchron angesteuert werden - auch ihre beruehmten Roboter.
Die Mensch Maschine[n] - live
"The tour showed the perfect synthesis of man and machine working in harmony to create a piece of technical entertainment that, considering its potential, was breathtaking in its economy of image and sound.
Was this a studio band playing live, or a live band playing the studio? Kraftwerk had once again neatly sidestepped the temptation to produce an overblown multi-media extravaganza, like Pink Floyd' s 'The Wall'. Instead of building their equipment up around like some kind of technological ego trip, they saw themselves presenting 'man and machine together in a friendly partnership of musical creation'."
Pascal Bussy
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