der modernen elektronischen Musik in Deutschland |<
D>Elektro 1.2 - |> das erweiterte Konzept <| |1.2.2| Klaenge + Elemente
|> Besiedlung des NEUlands | von Studios | Laboren + Klangfabriken |
Wir
sehen unsere Musik als industrielle
Volksmusik. Sie hat ihren eigenen ethnischen Charakter, denn sie
haette nur hier entstehen
koennen.
Wir kommen aus dem Rhein/Ruhr Gebiet, einer industriellen Landschaft.
Das ist deutlich in unserer Musik zu hoeren."
Ralf Huetter (Kraftwerk)
|>> Elementare Klaenge - Maxime: Minimalismus
Wie und womit faengt man an, im NEUland?
Natuerlich mit dem Einfachsten und
Elementarsten.
"Unfaehigkeit
ist oft die Mutter der Beschraenkung - und Beschraenkung ist die Uebermutter
eines erfindungsreichen Spiels. In der japanischen Musik beschraenkt
man sich ungeheuer - das ist der Grund weshalb sie eine solche Kraft
daraus ziehen.
Es ist unglaublich, Zen-Musik, die haut einen wirklich um. Und dieses
'Umhauen' ist die Kraft, auf die wir hinzielen muessen."
Die Neu-
und Eigenheit des Instrumentariums sowie die [experimentelle] Naivitaet
im Umgang damit ist ein weiterer Grund fuer den praegnanten Minimalismus
der Werken ganz unterschiedlicher Musiker und Bands jener Zeit.
Mit der nicht vorhandenen Tradition
und Erfahrung ging zugleich viel unnoetiger Ballast ueber Bord, bzw. gelangte
gar nicht erst in die Studios und auf die Buehnen.
"Als wir mit CAN anfingen,
fragte mich Jaki oft, weshalb ich so viel spielen wuerde. Dann sagte
er mir, ich sollte nur einen Ton spielen, das waere genug. Fuer mich
war das neu, ich dachte:
Ist ein einziger Ton wirklich genug? Einfach zu sein, war eine ganz
neue Vorstellung fuer mich, und diese Einfachheit war sehr schwer
zu erreichen.
Also wurde ich ein sehr einfacher Bassist.
Wenn ich irgendwas aenderte, dann nur, um eine andere Richtung vorzuschlagen.
Aber ich spielte immer nur das Minimum!"
Holger Czukay [CAN]
Es war diese Konzentration
auf das Wesentliche, auf das Entwickeln einer eigenen
musikalischen Sprache, die so viele Musiker und Gruppen zu ihrem eigenen
Klang kommen liess.
"At
the time I met Kraftwerk I was no longer satisfied with adapting other
musicians' ideas. I wanted to develop my own vision of music - to
start completely anew. To try to overcome all of the unnecessary,
clichéd stuff I'd learned from others and go back to the basics of
music. That was one rhythm
and one note and one idea, to try to find expression in clear
structures and with simple materials.
That included not using 3 or 7 or 20 harmonies in one song, but staying
on one level."
Michael Rother [NEU! | Harmonia]
Man spielte mit den Grundelementen
von Musik, baute das Skelett eines neuen Klangkoerpers auf, befreit
vom damals grassierenden Pomp und ornamentalen Effekthaschereien.
"Im
Fall von 'Yoo Doo Right'
nahm sich jeder selbst bis fast auf Null zurueck. Und wenn man bloss
das Allereinfachste spielt, um auf das zu stossen, was alle gemeinsam
haben, dann spuert man die Kraft, die in der Beschraenkung liegt.
Alle spielten so wenig wie moeglich, und genau daraus ist die Power
dieses Stuecks entstanden."
Holger Czukay ueber den legendaersten Song ihrer Debut
LP
'Yoo
Doo Right' hat auch fast 30 Jahre nach seiner Entstehung nichts
von seiner archaischichen Kraft und Magie verloren.
Ueber die simple, irgendwie afrikanisch klingende, ein-tonige Bassfigur
und den metronomischen Drumbeat fliesst ein Rap-artiger Sprechgesang - dabei
hat das Stueck in seiner Mono-Tonie einen unwiderstehlichen Beat
und ist in seiner 20 minuetigen, epischen Einfachheit eines der faszinierendsten
der deutschen Elektro/Rockmusik geblieben.
Ein ritueller (in modern-deutsch: 'tribaler') Tanz - geboren aus der Radikalitaet
deutscher Experimentalmusik.
"The
thing that appealed to me was the discipline.
It was as if they'd decided that their project, in a typically German
way, was to make a pure rock music that was stripped of superfluities,
of showbiz."
Brian Eno
Im Bereich der Pop/Rock orientierteren Gitarrenklaenge waren es dabei vor
allem NEU!,
die mit ihrem ebenso spielerischen, wie minimalistischen Ansaetzen aehnliche
Ziele und Wirkungen erreichten.
> im Minimalen die maximale Vielfalt
Minimalismus war eines
der Elemente, dass diese deutschen Experimentalisten verband -
ob aus Not oder Tugend.... - doch das bedeutete keinesfalls eine Beschraenkung
in stilistischer Hinsicht. CAN
und NEU! sind
dafuer gute Beispiele. Michael
RotherundKlaus
DingervonNEU!
spielten mit simplen, kinderartigen Melodien und scheuten sich nicht,
diese mit enervierenden Geraeuschcollagen und rohen,
punkigen Riffs zu kontrastieren.
"...ein
ambientes, bassloses White-Light-Pop-Rock-Mantra,
das sich genau auf dem Schnittpunkt der beiden Extreme Pop-Music und
Deutsche Experimentalmusik einpendelte.
Neu! war das Produkt von jungen Hexenmeistern, die auf faszinierende
Weise wunderschoene Sounds neben dem Geklirre und den Cut-Ups, die
die meiste zeitgenoessische Experimentalmusik bestimmten, einfliessen
liessen.
Beide hatten einen Sinn fuer Melodie, der geradewegs aus Disneyland
kam, und keinerlei Vorbehalte, ebenso huebsch wie
heftig zu klingen."
Julian Cope ['Krautrocksampler']
Dieser Minimalismus, der durch die Konzentration auf den einfachsten, wirkungsvollsten
Klang seine maximale Wirkung
entfaltet, verbindet CAN
auch mit KRAFTWERK
- dem groessten musikalischen Gegenpol
in klanglich / konzeptioneller Hinsicht. Kraftwerks
fast wissenschaftlicher Ansatz, beinhaltete ein wesentlich fokussierteres
Arbeiten bei der Suche nach dem exakten, puren Klang.
"With
Kraftwerk there is an intellectual process which precedes the musical
process. Their way of making is very thoughtful, but the result
is very minimal.
lt reminds me of great painters like Klee, Mondrian or Picasso, who
are great technicians but whose works
are minimal."