D>Elektro |2.1| |> Material |
|> History/ies + Sounds |
of modern electronic / experimental music in Germany |< |
D>Elektro 2.1 - |> Material |> Presse | Interviews |2.1|
HC: Eigentlich steht nur fest das das ganze Projekt von mir und GVOON stattfindet.
dazu Arthur Schmidt von GVOON:
Holger Czukay als Gesamtkunstwerk?
Ja - aber mit neuen Visionen - mit anderen technischen Medien, der Versuch Experimente als Entertainment zu praesentieren. Das sind die global visions von Holger Czukay.
Wie lange arbeitet ihr schon daran?
AS: Diese Show bereiten wir jetzt seit anderthalb Jahren vor - also seit dem ersten Kennenlernen von Holger. Davor haben wir Erfahrungen mit virtuellen Welten in anderen Projekten gesammelt. Jetzt haben wir die Strategie soweit entwickelt, das Holger hauptsaechlich an Sounds arbeitet, mit an der Gestaltung und das Ganze immer mehr zusammenwaechst und jetzt sehr stark inhaltlich ausgerichtet wird.
HC: Die Idee beim CANniversary ist ja, dass zum 30 jaehrigen Bestehen jeder mal seine jetzige 'Familie' vorfuehrt. Werdet ihr auch untereinander wieder zusammenspielen - so wie Michael Karoli jetzt mit Damo Suzuki auf der US-Tour?
Naja, das ist ja fast noch die alte Schiene.
Sind das die Parallelen die du siehst zur Arbeitsweise von CAN? Ja, klar. Nur bei Gvoon arbeite ich jetzt auch mit anderen Leuten. Oder damals mit Dr. Walker, die 'Clash' Platte, die waehrend der USA Tournee entstand, das war ja Can in die 90er Jahre transportiert, denn genau so haben wir uns beide verhalten. Es war eine ganz spontane Geschichte. Was ist fuer dich das herausragendgste an CAN in Punkto Klaenge und Arbeitsweisen?
Also CAN hat schon Masstaebe gesetzt in Bezug auf die Konzepte und Strategien aus dem Nichts heraus etwas zu schaffen - eine ganz organische Vorgehensweise.
War euch bei dieser "Arbeit aus dem Nichts heraus" dieser geschichtliche Hintergrund, auf den dieser Begriff ja auch zutrifft, bewusst? Ja, das war uns wirklich bewusst. War euch auch eine Schnittstelle, eine Parallele zu Kraftwerk bewusst, habt ihr sie damals im Auge gehabt?
Kraftwerk war bei uns fast jeden Tag zu Besuch. Damals, noch bevor sie Kraftwerk hiessen, sind sie immer gerne zu Sessions vorbei gekommen und ich weiss noch wie Michael (Karoli) mal zu mir gesagt hat 'Holger, ich glaube, von denen werden wir nochmal was hoeren.'.
Es ist auch kein Wunder, das bei der ganzen Hip Hop / Trip Hop Geschichte, wo Rhyhtmen eine ganz besondere Rolle spielen, das man da zwangslaefig auf CAN gekommen war. Denn man hat ploetzlich gelernt, so mit Rhythmen umzugehen, das es lebendige Rhythmen waren, wirklich lebendige Rhythmen - im Gegensatz zu Techno. Bei diesen Rhythmen kommst du an CAN nicht vorbei. Das war eine unserer Hauptbeschaeftigungen, unserer Staerken. Habt ihr vom Hintergrund euerer klassischen Ausbildung etwas davon aufgenommen und weitergefuehrt, oder habt ihr eher dagegen gearbeitet? Auf Stockhausen beziehst du dich ja des öfteren. Damals, kann ich mir vorstellen, ging es vielleicht eher darum von dem Ganzen wegzukommen.
So ist es. Wir wollten mit all dem gar nichts zu tun haben. Wir hatten mittlerweile viele Kuenstler kennengelernt, die sich 'nen Button angeklebt hatten, sich hinstellten und sagten, 'Wir sind Kuenstler.' Da haben wir gesagt, 'Wenn Du Kuenstler bist sind wir keine.'.
Wir haben alle Rechte auf unsere Musik - alle unsere Platten sind draussen. Wir besitzen eine eigene Plattenfirma und sind weltweit vertreten durch einen guten Vertrieb.
Siehst du die ganze gegenwaetige DJ- und Remix Kultur auch als eine Fortfuehrung speziell von deiner Arbeit im Studio, deine Herangehensweise das Studio als eigenes Instrument zu benutzen sowie deinen Schnitt und Cut-Up Techniken? An deinem Namen kommt man ja nicht vorbei, wenn es um Sampling geht. Das Sampling habe ich eindeutig erfunden. Also schon mit 'Canaxis' von 1968? Das ist die erste Samplingplatte. Sind fuer dich die ganzen Remix - Live-Sampling-DJ-ing Geschichten eine Fortfuehrung davon? Die ganze Remix-Kultur ist eine der Kunstformen der 90er Jahre, das muss man einfach verstehen. Ich finde es sehr aufregend, das man aus einem Interface, aus einem Gesicht etwas Neues, neue Gesichter schafft. War es eure eigene Idee "Sacrilege", die CAN Remix Platte, zu machen, oder sind soviel Leute an euch herangetreten?
Wir wurden gar nicht gefragt. Die Hilgedard Schmidt, unsere Managerin, hat das mit Daniel Miller von Mute Rec. abgesprochen. Es hat lange gedauert bis es auf den Weg gebracht war und ich muss sagen, er hat auch gute Leute dazu gekriegt, sich zu beteiligen.
War es euch damals wichtig den Gedanken an die eigene, deutsche Identitaet im Kopf zu haben?
Jedem Menschen liegt daran eine Identiat zu haben - wenn ich dich z.b. jetzt nach 20 Minuten wieder auf der Strasse treffen wuerde und du kaemst und sagtest, 'Ach Holger, erinnerst du dich noch an das Interview das wir gerade gefuert haben?' und ich wuerde sagen, 'Hoer mal, in diesen 20 Minuten, habe ich 123 Leute getroffen, die genauso aussahen wie du und noch schlechter. Ich kann mich an nichts mehr erinnern.
Das heisst die Identitaetsfindung finde ich wirklich wichtig ... - da hatte der Ralf Huetter vollkommen recht. Meines Erachtens aber, ist die erst in den 90er Jahren richtig hervorgetreten. In den 90er Jahren wurde hier die Stunde Null geboren, fuer die Deutschen.
Also, alleine, wenn es um die Samples geht - was ist das fuer ein Unterschied wer welche Samples macht! Ob du die Samples kaufst, ob du sie selber herstellst - oder wie sehen die eigentlich aus, wie setzt du sie dann zusammen?
Ist das Konzept des Minimalismus, das gerade in den Anfangstagen von CAN sehr stark war, noch ein wichtiges Kriterium fuer dich, oder hat es an Wichtigkeit verloren?
Die Musik entsteht doch ueberhaupt erst durch Reduzierung. Es entsteht ja nicht, indem man draufballert, sondern es ist das genaue Gegenteil. Etwas zuballern geht ja auch ganz schnell.
Ich habe das auch festgestellt im Gespraech mit der Firma, die diese virtuellen Gestalten herstellt, die in dem Projekt, das ich mit Gvoon plane, auftauchen sollen. Also die Holger Czukay Figuren von vor 30 Jahren, mit denen ich mich selbst unterhalten will.
Wie weit haben sich deine Arbeitsprozesse seit 'Movies' veraendert? Das ist ja auch ein Meilenstein - nach dessen Hoeren ich Platten wie "My Life in the Bush of Ghosts" ganz anders eingeordnet habe. Obwohl die das ja von mir haben.
Eben.
Also, ich interessiere mich sehr fuer alle neuen technologischen Entwicklungen. Ich sehe das als etwas Positives. Das liegt daran, das ich damit auch wieder in Verbidung bringen kann, was ich frueher gemacht habe. Und es hilft dir auch unabhaengig zu sein, von Leuten, die versuchen dich zu bevormunden.
Was sagst du zu diesem leidigen Wort "Krautrock" - bzw. seiner kuerzlichen Wiederentdeckung? Ja, das ganze 'Krautrockfieber' - es wurde ja schon hauptsaechlich durch das Buch ausgeloest - - ploetzlich hat man sich erinnert und es kam ins Rollen. Nun war das ja so, das "Krautrock" eigentlich eine Verunglimpfung war. Und du kriegst diesen Begriff heute aus den Leuten nicht mehr raus. In Amerika sind es nur die wirklich aufgeklaerten Leute, die das begreifen, alle anderen sehen "Krautrock" als einen normalen Begriff, wie "Rock 'n' Roll' oder sowas. So ein Begriff ist das ploetzlich geworden. Kannst Du erklaeren, warum es damals diese explosive Entwicklung in Deutschland gab? Ja, die Amis haben mir das mal erklaert. Die haben gesagt, wie ist das passiert, das wir etwas gut finden, das vor 30 Jahren passiert ist, und wir haben nichts davon gehoert? Das gibt's doch gar nicht! - Die Amerikaner muessen ja immer von irgendwas schon gehoert haben... Welche Musiker / Gruppen gefallen dir aus der neueren Elektro Szene?
Da finde ich Aphex Twin wirklich gut. Bei dem merkt man, das ist ein Typ, der ein gutes Umfeld hat, der intelligent ist, der seiner Musik eine Identitaet verpassen kann.
Von den neueren deutschen Sachen?
Da fand ich eigentlich Air Liquide und diese ganzen Geschichten sehr gut - was mir aber im Moment auffaellt, das das, war vor 2 Jahren neu war, jetzt alt geworden ist und das die Leute selbst kaum merken, das sie sich selbst mit veraendern.
Liegt es auch daran das die Verfallsdaten kuerzer werden?
Die Verfallsdaten werden kuerzer, aber es liegt auch daran, das die Dinge so schnell machbar sind und man selbst eigentlich diese Liebe nicht mehr so reinsetzt und die Zeit und Energie investiert.
Der Dr. Walker hat sich sehr gewundert, dass ich an den Live Baendern nochmal so hart gearbeitet habe - das haette er nie getan, sagte er. Er haette sie so genommen wie sie waren.
Siehst du das als einen Nachteil? Es kommt ja nun, gerade im Elektro Bereich - eine unglaubliche Schwemme von Musik auf den Markt, wo es fast unmoeglich wird, den Ueberblick zu behalten.
Es kommt unglaublich viel raus, ja. Da kann ich nur sagen, du musst darauf achten, das du eine Identitaet bekommst und diese auch haelst. Und dann musst du am Ende auch noch auf deine eigene Rechnung gehen.
Ich hatte auf deiner Website schon den Remix von "Get the can" gehoert. Davon wuerde ich ja auch zu gerne mal das Original hoeren. Ich las, das die Studenten an der Uni Wien voellig von den Socken waren, als du Ihnen das Original von 1968 vorspieltest.
Ja, es war wirklich so. Ich sagte, ich haette es gerne, wenn die CAN Leute selber einige Remixe vornehmen wuerden - und spielte ihnen als Bsp. eines geeigneten Stueckes "Get the Can" vor. Sie hoerten es und sagten, 'Lass es doch so, wie es ist - oder mach einen Remix aber vergiss das Original nicht.'. Weil, es ist so beinhart, das hat eine solche Muell-Qualitaet - was man '68 nicht mal im Traum gewagt haette zu veroeffentlichen - jetzt nach 30 Jahren kann man das machen. Das hat die total beeindruckt.
War das sozusagen der Moment der Entscheidung, hin zur Rockgruppe - und daraus entstand dann diese Explosion? Ja, das ist eigentlich die Geburtsstunde, wo du entscheidest, wo deine Richtung hinfuehrt. Letzten Endes ist es auch das, was CAN bis zum Ende durchgezogen hat: einerseits, das absolut Spontane, andererseits, das nicht-Zurueckschrecken - das das, was man als "schlechte Qualitaet" ablehnt, in Wirklichkeit auch eine gute Qualitaet sein kann. Das ist eine Sache, die wir immer durchgezogen haben, besonders live. Da haben wir oft wirklich gnadenlos geprobt - und das war nicht die schlechteste Musik, die wir da abgeliefert haben. Wie war die Veraenderung in der Gruppe, als es keinen wirklichen Saenger mehr gab, als Damo ausgestiegen war? War das richtig hart fuer euch? Ja, das war aeusserst schwierig. Wir merkten, das uns etwas fehlte. Wir mussten nach so etwas wie einem Notprogramm suchen. Michael begann zu singen - aber als ich sah, das das alles nicht so das Richtige war, musste ich zusehen, das ich einen andere Erfindung machte, um den Saenger, den Gesangspart wieder hinzukriegen. Damit war aber der Rest von CAN nicht einverstanden. Das waren Sachen, die hatten sie noch nicht so richtig gecheckt. Das lief dann auch so langsam auf deinen Split von CAN hinaus...
Ja das lief einfach auch darauf hinaus, das man merkte, es gab verschiedene Interessen.
Es war sicherlich auch schwierig, nach so langer Abstinenz voneineander, wieder zusammen zu spielen. Es war ja ein Teil von CAN sehr intensiv und lange zusammen zu spielen - und zu leben - als Probe- und Kompositionsmethode. Ja, du kannst sagen 9 Jahre intensivsten Zusammen-Seins. Jeden Tag, 12 Stunden. Das ist schon hart. Wie findest Du eigentlich die Sachen von Faust?
Das war eine Gruppe, die mehr auf den multimedialen Aspekt konzentriert waren, aber sie haben mich nie musikalisch sonderlich interessiert. Meines Erachtens haben sie nie einen richtigen Rhythmus auf die Beine gestellt und dann auch keine richtige Identitaet gefunden. Es waren aber so bizarre multimedia Aspekte, die da drin waren. Von daher, kann ich mir vorstellen, haben die Faust Leute ihre Fans. Ich habe uns schon als eine richtige Vollblut Musikgruppe angesehen.
Knut Gerwers | 8/98
|