Identifizierung findet immer in bezug auf ein Gesetz, oder genauer auf ein Verbot statt, das damit arbeitet, daß es eine Strafandrohung ausspricht. Das Gesetz erzwingt Gestalt und Richtung der Sexualität, aber die Einflößung von Angst.
Judith Butler
You wanna be that swing be
but you can't be
that's why you mad at me
Lil'Kim
![]() Doch zurück zu den weiblichen Perversionen, die, was uns der Titel des Buches schon ankündigt, anders geartet sein müssen, als die der Männer.
Daß das Ausleben von Perversionen bei Männern und Frauen sehr unterschiedlich aussieht ist klar, denn hier geht es um kulturelle Anpassung, gesellschaftliche Auferlegungen und schließlich um politische Konstruktionen. Und diese Strukturen, die nach binären Codes gebildet werden, erzeugen erst Männlichkeit und Weiblichkeit, Normalität und Abnormes. Perversionen entdeckt man bei Männern und selten bei Frauen, wenn man die geläufige Vorstellung von Perversen sich vor Augen hält: Der Sexualmörder, der Vergewaltiger, der Kinderschänder usw.
Doch diese Verkleidungen zu enthüllen, um so an den Kern der Sache heran zu kommen, ist ein schwieriges Unternehmen, das sich Kaplan manchmal allzu einfach macht. Sie kommt leider immer wieder auf alte Klischees und Allgemeinplätze zurück. Zum Beispiel, wenn sie sich auf Robert Stoller und (ganz übel) Caesar Lombrosco "Das Weib als Verbrecherin und Prostituierte" bezieht, die die Prostituierte als Opfer deklarieren, das aus Rachsucht an den Männern zum Fetisch wird, um so die Macht über die männliche Sexualität zu besitzen.
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Eine interessante Beobachtung hingegen, zum Thema Maskerade, beschreibt Kaplan in den Phantasien der Modeschöpfer. Sie seien die modernen Pygmalions, die Frauen als beschädigte, kastrierte Wesen wahrnehmen. Durch Korsette, Stöckelschuhe und durchsichtigen Blusen zeige sich der unbewußte Haß gegen die Frauen, der sich in der Modebranche Ausdruck verleihe und sich Zugang in die Öffentlichkeit verschaffe. Interessant ist dieses Thema, weil es das Verhältnis von schwulen Männer zu Frauen anspricht.
Doch bleiben wir, um nicht moralisierend werden zu müssen, vorerst noch bei der Frage, wie binäre Codes entstehen.
Warum diese Differenz so schwer ertragbar ist, hat wiederum mit Narzißmus und Gesellschaft zu tun. Die herkömmliche Darstellung des weiblichen Kastrationskomplex ist ein Beispiel dafür, wie infantile Phantasien über die Unterschiede zwischen Penis, Klitoris und Vagina im Erwachsenen fortbestehen. Die Verleugnung und Ignoranz eines weiblichen Begehrens wird durch die Erfindung des Kastrationskomplex manifestiert. Soziale Konventionen werden damit gerechtfertigt und kulturelle Mythen von der biologischen Minderwertigkeit des Weiblichen und der damit einhergehenden Minderwertigkeit des weiblichen Sexualorgans weiter etabliert. Der Kastrationskomplex, den ich als gesellschaftliches Konstrukt verstehe, kann in blutige Rache ausarten. Kein Wunder. Eine Kastrationsdrohung, ist schon ganz schön hart zu sublimieren, daß diese blutige Szenarien Die erste Perversion (die Krankenschwester) ist unscheinbar durch ihre Verkleidung und ihren sozialen, gesellschaftlichen Status, die zweite Variante (die Nutte) ist pervers, weil sie männliche Macht besitzt und unmoralisch ist. Und es gibt den Mythos der heiligen Prostitution, womit gesagt sein soll, daß die Prostituierte zwar ein anschauliches Beispiel für Macht in weiblichen Sphären darstellen kann, doch als perverse Strategie nur bedingt Gültigkeit besitzt. Die Selbstdestruktion, oder phantasierte Destruktion, ist auch wieder nicht von den normativen Geschlechterrollen zu trennen. Wir befinden uns schon im Erwachsenleben und haben die Codes schon in uns. Früher, als man noch eindeutiger männlich und weiblich unterschied und Frauen alle das gleiche machten, nämlich kochten, einen Ehemann fickten und Kinder bekamen, nannte man nörgelnde Frauen am Kastrationskomplex (für weibliche Menschen, Penisneid genannt) leidend. Früher konnte eine Frau, wenn sie sich in ihre weibliche Rolle fügte, angeblich den Phallus ergattern. Höhepunkt in dieser Karriere und gelungenes Ende der Qual einen Phallus haben zu wollen, war ein Kind mit einem Penis. Der Wunsch nach dem Phallus, der nicht der Penis ist, wurde zu Zeiten Freuds als der Wunsch nach dem Kind ausgelegt und heute als Wunsch nach dem ordinären Schwanz gedeutet. Doch, wie Kaplan zu Anfang schon zitiert wurde, ist das, was greifbar ist, nicht das, worum es geht. Im eigentlichen Sinne gibt es keine Perversion, die sich darstellt, sie ist Strategie und Maskerade, die Krücke, die den wirklichen Schmerz in Zaum hält.
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Anmerkungen:
* Zu dem Problem des Begriffs 'Perversion' hier die Erklärung im Lexikon: Pervers: verdreht, andersartig veranlagt, von der Norm abweichend; - schließlich sind Mörder, Vergewaltiger usw. auch Perverse, ich benutze den Begriff, wie er im Lexikon steht, nicht abwertend aber auch nicht so überschwenglich, wie zum Beispiel "Queer", was ja auch mit verdreht, andersartig übersetzt werden kann. Aber Schwule, Lesben, Sados, Masos sollen nicht mit Vergewaltigern und solchen Typen gleich gesetzt werden. Perversion ist schlicht und einfach abnormes Verhalten, ob das gut oder böse ist und was das ist, wird von mir nicht in diesem Text behandelt .
** Siehe auch Louise J. Kaplan: "Weibliche Perversionen", S.197, Kapitel: 6 "Weibliche Stereotypen und die weiblichen Perversionen"
Foto "wheelchair" (Claudia Reinhardt);
Dank an Harry Haas und Corianna Weidner