Der Text lautet:
Uns gefallen die Initiativen, die ihren Austausch, ihre Umgangsformen und ihre Charts nach eigenen Kriterien bestimmen. Das muß nicht den Gesetzen der Übertragung, Kompatibilität oder Verständlichkeit für andere angepaßt werden. Auf der anderen Seite ist dieses Prinzip (Schaffung von Profil, Eigengesetzlichkeit und Prozessualität gemäß interner Strukturierung) auch für die offiziellen Kanäle bestimmend. Jede Station will ihre Sendetätigkeit gegenüber anderen abgrenzen. Wir arbeiten also in diesem Feld, wo verschiedene Frequenzen, Sounds und Beats sich überlagern. Am Samstag findet im Westwerk zur Eröffnung der "Sei dabei"-Ereigniskette eine Party statt, die von uns ausgetragen wird. Sie wird von 20.00 bis 8 Uhr dauern und bringt coolen House-Sound, Glamour, schwarzen, deepen Soul und Bewußtseinserweiterung. Da gibt es auch das taufrische Heft für DM 7 zu kaufen. See ya there!
Das ist mittlerweile das dritte Heft, das wir herausbringen. Das dritte Produkt von uns dreien. Im ersten gab es einen Text zum Thema 'Women respond to Bass'. Wir glauben, daß es eine bestimmte weibliche Sensiblität für Grundtöne, Veränderungen in Beziehungsmustern und für politische Fragen gibt. Diese Sensibilität ist überhaupt nicht an eine bestimmte Geschlechtsidentität gebunden. Vielmehr sehen wir diese Sensibilität bei allen Bewegungen, die sich der Integration, der Konformität und dem vorauseilenden Gehorsam widersetzen.
In unserer neuen Ausgabe haben wir einige Texte über Musik. Die diskutierten Grooves sind ein Gradmesser für gesellschaftliche Kommunikation und Permissivität. Im Techno, der auf bestimmten Radiofrequenzen und in großen Dorfdiscos läuft, hören wir oftmals bloße Parolen und Aufforderungen zum Mitmachen à la "Get On Funky". In der Musik ist dann soviel Funkiness wie Dreck unter einen Fingernagel paßt. Wir haben in unserem Heft dazu und über Swingbeat, House und Internet-Sounds Texte. Wir meinen, daß es dabei um mehr als Geschmacksfragen geht.
Allerdings halten wir dogmatische Glaubensüberzeugungen für fatal. Von Mode 2 gibt es im Heft Graffiti-Zeichnungen. Seine Frauenfiguren sind sehr sexy, übertrieben und kindlich. Sofort sind dann natürlich die Wächter der Tugend da und übersprühen seine Bilder mit "Sexismus". Am nächsten Tag hat er den Vorwurf richtigerweise ergänzt: "Sexismus sucks!" Auch uns hat man schon öfter die Verunglimpfung der Lehre des reinen Feminismus vorgeworfen. Dabei wird dann etwa übersehen, daß die "Nacktheit" der Frauen auf unserem letzten Magazin-Cover aus Plastikteilen bestand. Wir fragen uns, wie man den Körper der Frau zurückgewinnen oder neu definieren kann. Es kommt auf die Situation an, ob es sexistisch oder erotisch ist, wenn eine Frau ihr T-Shirt auszieht. 17jährige Mädels, die von schmierigen Typen für Gesangsnummern abgezogen und verbraten werden das ist in unseren Augen sexistisch.
Diesmal sind auch einige fiktive Texte im Heft. Lori Schy schreibt über eine Kneipen-Begegnung, die zur Feier des künstlichen Geschlechts führte. Ein imaginäres Szenario lotet die Untiefen der allgemeinen Einsamkeit aus. Außerdem haben wir ein Gespräch mit dem Berliner Filmer Lothar Lambert im Heft. Also ein Paket, das aus allen Nähten zu platzen droht...
In unserem Verständnis einer Zeitschrift gehört unbedingt Fotographie und Graphik dazu. Nicht als Illustration, Platzfüller oder Werbefläche. Wir verstehen uns nicht als Journalisten, sondern eher als "Creators of Reality", wie Ina auf der Single zu unserer zweiten Ausgabe rappte. Unser drittes Heft hat soviel Farbe wie keines zuvor. Es wird richtig gedruckt. Das hebt die Ästhetik auf ein neues Level.
"Neid" stellt ein Forum für Leute dar, die wir gut finden. Diesmal gibt es auch tatsächlich mehr Beiträge von außen. Merkwürdigerweise bekommen wir von anderen Leuten Zeichnungen, aber keine Fotographien.
Ebenso wie wir keine Lust auf geregelte Arbeitsverhältnisse haben, stellen wir uns gegen Konsumismus und "kulinarischen Geschmack". "Neid" ist kein Marketing-Produkt, sondern das kollektive Produkt gegenseitigen Respekts.