Unter dem Titel "Net Dreams" gibt es eine Performance von Virtuella zu sehen. Ein Beamer projeziert das Monitorbild eines gewöhnlichen Wintel-Rechners an die Wand, wo sich in der Taskleiste am unteren Bildschirmrand die Symbole der vorbereiteten Programme aneinander reihen. In- und Output der Daten wird über weit verbreitete Schnittstellen organisiert: audio-CdRom, Netscape-Browser, RealAudio-PlugIn; auch Steinbergs Re-Birth hat einen kurzen Auftritt. Während der Performance ist Virtuella online; die oftmals zwischendurch aufpoppenden JavaScript-Error-Meldungen unterstreichen den authentischen wired-Charakter der Installation. Eine frühe Losung des frisch getauften Internet hieß: In cyberspace nobody knows if you're a dog. |
Die Anonymität der Internet-Nutzung wird in der Performance von Virtuella parodiert und als Sekundärtugend gegenüber den Subjektivitätsbildungsprozessen herausgestellt. Das subjektiv gefilterte und inszenierte Datenchaos wird in der Zuspitzung geschlechtlicher Rollenklischees gebrochen. Tigerpelz-Minirock, Pailletten-Top und Blondhaar-Perücke ziehen die Blicke der Anwesenden mindestens ebenso auf sich wie das derzeit so hoch im Kurs gesellschaftlicher Konjunktur stehende http-Browser-Wahrzeichen. Die Internet-Nutzung wird zur Schau gestellt, als Schau inszeniert, und die Anonymität in der Maskierung aufgehoben. Auch cyber wird zum space erst in der subjektiven Synthetisierung. Lasziv gleitet der Mausfinger dabei über den Schaft eines Atompilzes. Die "net dreams" verstören. Anders als eine Diashow mit Ton, kann Virtuella die spirituelle Abgründigkeit der Netzwelten aufzeigen, wenn die "dunkle Seite der Macht" als endlos hinabscollende Liste von Links to the other side vorgeführt wird. |
Musik wird funktional, zur emotionalen Stimulation eingesetzt, so dass die performance sich als Film im Kopf der Anwesenden fortsetzen kann. Virtuella eignet sich die Orgasmusfoltermaschine an, unter der Barbarella zur Halluzination gezwungen wurde, und penetriert die Zuschauer. Meditative Bilder von Delphinen und Walen werden eingestreut und üben ihre beruhigende Wirkung aus, während sie sich gleichzeitig als banalste Klischees zu erkennen geben. Zur Zeit wird die internet-Nutzung marketingtechnisch forciert, so dass Unmengen von Bildern und Scheincharakteren kursieren, die eine konsumorientierte und konsenskonforme Aneignung von cyberspace voranbringen sollen. Selbst Boris Becker ist schon drin. Virtuella verweist in ihrer Performance auf die künstlerischen Ursprünge von cyberspace und macht deutlich, dass die immer schon weiter nach vorne verschobene electronic frontier nicht mit Maßstäben konventioneller Subjektivität integriert werden kann, sondern unkontrollierbar ist und im besten Fall polymorph-perverse Erzählströme freisetzen kann. |