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Die Annahme ist falsch. Erstens kann sich der Autor seine Liebhaber selbst aussuchen, was die Hure grundsätzlich nicht kann, und zweitens verdient er damit kein Geld. Aber diese Ansicht macht klar, daß wir, die Nichtprostituierten, die Vorstellung haben, daß es die Huren deshalb machen, weil es ihnen Spaß macht. Höchstwahrscheinlich wieder falsch. Karl Abraham, ein Schüler von Freud, jedenfalls nannte die Frigidität, also eher das Gegenteil von Dauergeilheit, als Grundvoraussetzung der Prostitution.
Das sind psychologische Probleme der Prostitution. Wenn man sich die rechtliche Situation der Huren in Deutschland betrachtet, könnte man durchaus der Idee verfallen, die hiesigen nachteiligen Arbeitsbedingungen könnten nur mit viel Leidenschaft für den Beruf ertragen werden:
Täglich gehen etwa eine Million Männer bei ein paar Hunderttausend Huren zum Vögeln. Dabei werden sogenannte Dienstverträge mit einem Gesamtumsatz von zwölf Milliarden Mark jährlich abgeschlossen. Das scheint auch rechtlich in Ordnung zu sein, denn, so heißt es jedenfalls im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 611), "Gegenstand des Dienstvertrages können Dienste jeder Art sein". Also auch Sexdienste, will man meinen, stimmt aber schon wieder nicht, weil die sogenannte "Herrschende Meinung", die bekanntlich die Meinung der Herrschenden ist, lautet, daß Ficken für Geld schlicht sittenwidrig sei. Und sittenwidrige Geschäfte sind nach dem gleichen Gesetz (§ 138) null und nichtig.
Das muß man sich reinziehen:Eines der offenbar alltäglichsten Geschäfte im Kapitalismus ist überhaupt nicht rechtskräftig, existiert juristisch gar nicht. Obgleich Prostitution bei uns nicht verboten ist (im Gegensatz zum Beispiel zu Frankreich), ist sie trotzdem sittenwidrig, was für die Huren weitreichende Folgen hat: Zunächst sollte die Sexarbeiterin ihren Lohn im voraus verlangen, denn das für das sittenwidrig Gezahlte "kann nicht zurückgefordert werden" (§ 817 Bürgerliches Gesetzbuch).
Die um ihr korrekt verdientes Geld geprellte Hure bräuchte gar nicht erst zum Gericht gehen, denn dort bekäme sie kein Recht. Bisher hat es nur einmal vor drei Jahren ein Richter in Berlin gewagt, einer Prostituierten ihren Hurenlohn zuzusprechen. Wahrscheinlich hätte die nächste Instanz anders entschieden, aber die konnte wegen des geringen Streitwerts (Hundert Mark) nicht angerufen werden; es war also nur ein Sieg wegen formaler Fragen. Die herrschende Doppelmoral offenbart sich vollends beim Steuerrecht, denn schon seit 1964 haben Sexarbeiter Einkommenssteuer zu zahlen, seit 1987 sogar Umsatzsteuer. Geld stinkt eben nicht.Falls Huren einen Verdienstausfall erstreiten wollen, billigt ihnen der Bundesgerichtshof zwar einen Ausgleich zu, nimmt jedoch eine "sozialethische Korrektur" vor. Das ist schlicht zum Kotzen. Fast schon logisch, daß auch eine anständige Sozialversicherung mit so einer nichts zu tun haben will. Daß unter diesen Umständen die Berufsbezeichnung "Prostituierte/r" undenkbar ist, kommt einem schon wieder logisch vor, aber da liegt man erneut falsch. Denn im Staate Bayern kann eine Hure Berufsverbot erhalten, wenn sie nicht alle drei Monate einen HIV-Test nachweist. Das Verbot eines Berufes, den es gar nicht gibt? Ein Paradoxon, das in Lewis Carrolls "Alice in Wonderland" vorkommen könnte!
Ein Blick ins Polizeigesetz schließlich rundet das Bild der "Herrschenden Meinung" ab, denn die Ordnungshüter dürfen jederzeit und ohne weiteren Grund die Identität von Personen feststellen, die sich am gleichen Ort wie Sexarbeiter aufhalten und können jederzeit (zur Gefahrenabwehr) in Wohnungen Razzien durchführen, in denen Sexdienstleister arbeiten. Warum wohl bleiben hier andere Berufsgruppen unerwähnt, die erwiesenermaßen auch schon öfter Gefahrensituationen herbeigeführt haben, zum Beispiel Bankdirektoren, Politiker oder Generäle? Bei so vielen Widersprüchen schaudert es dem Autor. Welche Entwicklung mußte dieser Berufsstand nehmen, um in dieses Dilemma zu kommen?
Den Autoren des Alten Testamentes galt Babylon als das Hurennest schlechthin. Alle mittelmeerischen Kulturen haben teilweise ihre Ursprünge im Zweistromland. Das gilt auch für die Prostitution. Ebenso wie dort gab es jedoch auch im Alten Ägypten eine Art von Hurerei, die seltsam, rätselhaft anmutet: Die Tempelprostitution, also Hurerei im Gotteshaus, die aber nicht nur von "Gottesbräuten", also priesterlichen Huren, sondern in Babylon sogar von jeder anständigen Frau einmal im Leben betrieben wurde, und daher besser sakrale Prostitution genannte werden sollte im Gegensatz zur profanen, mit der die Sexarbeiterin Geld für sich selbst verdienen muß. Sakrale Hurerei gehört übrigens nicht der Vergangenheit an, denn in Indien wird sie heute noch praktiziert. Tausende junge Inderinnen werden alljährlich mit Hindugöttern vermählt; schon als Kinder zu "Devadasis" gemacht, dienen sie ein Leben lang der Göttin Yellama und dürfen keinen Mann mehr ehelichen. Die sexuelle Vereinigung der göttlichen Dirnen mit den Pilgern gilt als Fruchtbarkeitsritual, welches die Paarung zwischen Himmel und Erde nachahmt, aber nebenbei auch die Tempeleinnahmen steigert. Letztendlich dient die Sexarbeit den jungen Devadadis vor allem zum überleben, und wenn sie alt geworden sind, sind sie auf die Almosen der Pilger angewiesen.
Bei den Historikern gilt die ägyptische Hure als Erfinderin der Animierbar. Die profane Prostitution war so alltäglich, daß über sie viel mehr Berichte und Schilderungen erhalten sind als über die Tempelhuren, von denen man lediglich weiß, daß es sie gegeben hat. Im klassischen Griechenland wurde die sakrale Prostitution ebenfalls gefördert, die lebhafte Hurerei jener Zeit läßt aber vermuten, daß die Heiligsprechung der Huren vielleicht nur ein Bemänteln von vorwiegend profaner Prostitution der auf eine gewisse Moral bedachten Griechen war. Zwar stellten die Griechen das Dirnenwesen im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung unter staatliches Reglement und natürlich wurde auch eine Dirnensteuer erhoben, ab da bis in das christliche Zeitalter hinein aber galt der Beruf Hure als selbstverständliche Beschäftigung. Sexdienste gab es in allen Qualitäts- und Preisklassen, überall, vor allem in Bade- und Kurorten, boten Dirnen ihre Dienstleistungen an.
Fast mag man Gefallen an den altgriechischen Verhältnissen finden, aber leider waren ihre Huren fast alle Sklavinnen. Ausgesetzte Neugeborene beispielsweise (scheint eine Art antiker Abtreibung gewesen zu sein) wurden zum Teil aufgelesen und quasi als Zukunftsinvestition auf den Dirnenberuf vorbereitet. Manche taten dies übrigens auch mit den eigenen Kindern.
Auch die Römer bedienten sich ausschließlich ihrer Sklaven, wobei das römische Sexleben schon in geschichtlich sehr früher Zeit zentral vom Bordell beherrscht wurde. In den Ruinen von Pompeji kann man neben Gasthäusern, in denen sich Huren anboten, auch ein Bordell besichtigen (übrigens das am sorgfältigsten wiederhergestellte Gebäude dieser antiken Stätte). Es war mit seinen engen räumlichen Verhältnissen so eine Art sexueller McDonald. Über den Zellentüren der Huren waren aussagekräftige Bilder angebracht, die den Freiern die Auswahl des Angebots erleichterten: Oral, Anal, Neunundsechzig... In den fashionablen Modebidern jener Zeit dagegen gab es für den gehobenen Anspruch entsprechend üppige Angebote. Die Superreichen bestellten für das häusliche Gelage gleich eine Art Partyservice inklusive Huren, Musikanten und Lukullischem.
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Die christlichen Kaiser Roms verbaten selbstverständlich die Prostitution, ohne sich jemals damit durchgesetzt zu haben. Zwar wurde die Sklaverei und damit die Grundlage des antiken Hurenwesens abgeschafft, woher aber kamen am Ende des elften Jahrhunderts die Tausenden von Dirnen, die die Kreuzzüge begleiteten? Nobody knows, aber mit der Prostitution ging es ab da wieder aufwärts. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts hat man in Frankreich die Huren zwangsweise in Bordellen kaserniert, nicht zuletzt auch, um einen Hurenzins, also Steuern, erheben zu können. Im Paris des Jahres 1367 wurde zunächst nur eine Straße den Huren zugewiesen, die Prostitution griff jedoch so stark um sich, daß nach einigen Jahren nur noch wenige Straßen vom Dirnenbesuch ausgeschlossen waren!
In Deutschland gab es Ende des 14. Jahrhunderts sogar in den kleinsten Städten Bordelle, deren "Hübscherinnen" man gerne von auswärts bezog, Schwäbinnen waren damals besonders beliebt. Die Huren gehörten wieder zum gesellschaftlichen Leben. Zwar mußten sie vielfach gelbe Abzeichen tragen, um sie besser ausgrenzen zu können, ihnen wurde aber auch ein gewisser behördlicher Schutz vor grober Ausbeutung zugebilligt. Geordnete Verhältnisse eben.
Vom 16. Jahrhundert an bis zum Beginn des 19. waren Huren in den Gasthöfen Europas ein fester Bestandteil und der Kampf gegen sie war manchmal ebenso grotesk wie erfolglos: Maria Theresia von Österreich versuchte, das inflagranti ertappte Paar Freier/Hure zwangsweise zu verheiraten.
Nachdem im 18. Jahrhundert das Mätressentum die Verkörperung der Dekadenz auf höchstem Niveau erreicht hatte, erhielt die Luxushure im letzten Jahrhundert sogar künstlerische Weihen: Alexandre Dumas "Kameliendame", in der Vertonung Verdis auch als "La Traviata bekannt", geht freilich dem gebildeten Großbürgertum zuliebe am Ende an Schwindsucht zugrunde. Ein erfolgreiches und selbstbewußtes Belle Epoque-Playgirl gibt literarisch beziehungsweise bühnendramatisch wahrscheinlich nicht genug her und steht außerdem im krassen Gegensatz zur damaligen bürgerlichen Moral. Und die herrscht heute noch.
Die gesellschaftsfähige Hure des ausgehenden 20. Jahrhunderts heißt "La Domenica", ist auch nicht mehr schwindsüchtig, sondern Sozialarbeiterin.
Nichts neues unter der Sonne?
Vielleicht doch, denn vor ungefähr 150 Jahren, als die Proletarier Europas massenweise in den frühindustriellen Fabriken und Gruben schufteten und in Massenunterkünften kaserniert waren, war die kleinbürgerliche Moral in den Unterschichten (noch) nicht vorhanden. Der dritte Stand lebte in, wie Karl Sudhoff* es Anfang unseres Jahrhunderts formulierte, "entsetzlicher Promiskuität".
Da keimt im Autor Hoffnung, denn man kann die Verhältnisse auch anders beschreiben: Die Menschen pflegten Beziehungen, die auf Anziehung und Neigung beruhten. Die Einehe in Form eines sexuellen Regimes hat in einem solch anarchischem Klima kaum eine Chance. Interessant ist die Frage, wie es sich mit der Prostitution in einer ehelosen Gesellschaft verhielte: seit den altbabylonischen Gesetzen des Königs Hammurabi ist die Ehe gesetzlich geregelt, die Familie die oft zitierte Keimzelle des Staates, das Privateigentum die Lebensgrundlage der Familien. "Der Ursprung von Staat, Familie und Privateigentum" heißt das Buch eines gewissen Engels, das von Historikern und Anthropologen späterer Zeit zwar teilweise widerlegt wurde, aber trotzdem erkennen läßt, das dieses Dreigestirn zusammengehört. Geradezu genüßlich wird dem Leser jenes Buches ein Vergleich serviert, der das Selbstverständnis der Prostitution veranschaulicht: So wie der Einführung des Privateigentums an Grund und Boden die Erfindung der Hypothek nach sich zog, mußte mit der Einehe die Prostitution entstehen. In vorgeschichtlicher Zeit stand das Verwandtschaftseigentum, das Eigentum der Sippe also an Grund und Boden und den Produktionsmittel, im Vordergrund. Mit der Einführung des Privatinteresses und des Privateigentums entstand auch das Bedürfnis und die Notwendigkeit, das eigene zu beleihen, um Handel zu treiben und dadurch das eigene zu mehren und so fort.
Das war die Geburtsstunde des Bankiers.
Solange die Menschen Neigungsbeziehungen unterhielten, hatte auch nur die weibliche Erbfolge eine Chance, denn wirklich sicher konnte man sich unter solchen Verhältnissen nur bei der Abstammung von der Mutter sein.
Die männliche Erbfolge konnte nur dann unanfechtbar werden, wenn man als Mann auch sicher sein konnte, daß die eigene Frau exklusiv gevögelt wurde. Mann mußte also die Monogamie einführen. Wenn man aber zufällig das herrschende Geschlecht ist, kann man natürlich auch gleich Abhilfe schaffen, was die unangenehmen Begleitumstände der Einehe angeht, nämlich durch Einführung der Prostitution und Geliebtenwirtschaft statt ehelichem Einerlei.
Ebenso zwangsläufig wie die Entstehung des Berufsbildes "Bankier" entstand das der Hure. Ein Mittel, der Prostitution wirksam entgegenzutreten wäre demnach neben der allgemeinen Kastration die Aufhebung der Monogamie, insbesondere in ihrer staatlich sanktionierten Form, der sogenannten Ehe. Aber selbst in einer utopischen Gesellschaft ohne Ehe, die nicht jeder für besser halten wird, ist es vorstellbar, daß alte, unansehnliche, kranke oder behinderte Menschen, die von ihren Zeitgenossen freiwillig nicht angefaßt werden, um sie zu liebkosen, Liebesdiener/innen in Anspruch nehmen wollen oder müssen.
Was erwachsene Menschen miteinander freiwillig sexuell anstellen, geht niemanden etwas an. Schluß mit der moralischen Bewertung durch Dritte auch in bezug auf die Prostitution! Das System drängt uns seine Moral im Doppelpack auf, indem es nämlich die zur allgemeinen Sitte gewordene Prostitution ernsthaft als sittenwidrig einstuft. Gegenüber Banken, Handel und Industrie besteht von Seiten des Establishments weniger Berührungsangst, und so haben schließlich Deutschlands Richter 1975 dann auch entschieden, daß ein Grundstücksgeschäft zur Gründung oder zum Betreiben eines Bordells keineswegs nichtig ist; man stellte sogar einen Wandel "in der Einstellung zu sexuellen Fragen...in weiten Teilen der Bevölkerung fest". Hörthört. Der Sinn eines solchen Grundstücksgeschäfts, die Sexarbeit, bleibt aber pfui.
Richter gehen in den Puff!
Jetzt wird auch dem Lebensgefährten deutlich, warum dem Autor dieses Thema so wichtig ist: Sexarbeitende Frauen, deren Profession umgedeutet wird zu einem vermeintlich polygamen Lebensstil, werden in ein rechtlich unsicheres Milieu gestellt, müssen sich körperlichen Zwangsuntersuchungen unterziehen und werden gedemütigt, um sie gefügig zu machen. Der rechtliche status quo der Sittenwidrigkeit soll uns vorkommen, als wolle er Prostitution eindämmen oder zumindest zurückdrängen. In Wirklichkeit aber dient er dazu, eine regelrechte Prostituiertenkaste zu schaffen, deren rechtliche Zweitklassigkeit prima Bedingungen für Freier schafft und schutzbedürftige Huren nicht gerade in die Arme von Vater Staat treibt. Die juristische Disqualifizierung des Hurengeschäfts wird das kriminelle Umfeld der Prostitution kaum zurückdrängen, sondern eher im Gegenteil. Den Gegnern des organisierten Verbrechens sollte daher an einer rechtlichen Gleichstellung der Dirnen gelegen sein.
Letztendlich geht es dem Autor darum, daß die Forderungen der "Großen Revolution" von 1789 auch für Huren erfüllt werden: FREIHEIT und GLEICHHEIT (die GESCHWISTERLICHKEIT muß wohl realistischerweise vorerst vernachlässigt werden). Wahrscheinlich hat sich in großen Teilen der Bevölkerung inzwischen sowieso die Auffassung durchgesetzt, daß sexuelle Dienstleistungen keineswegs sittenwidrig sind. Zehn Jahre "Schreinemakers live" dürfen nicht umsonst gewesen sein.
Die "Herrschende Meinung" ist ein völlig unzeitgemäßes juristisches Konstrukt, das absolut überflüssig ist und vor allem zu abstoßend ungerechten Verhältnissen führt. Vielleicht verhilft Erpressung zu mehr Gerechtigkeit:
"Huren, laßt keine Richter nicht mehr in den Puff!" |
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