"WOHLANSTÄNDIGES"
"Durch Dreck, Schmutz, soziales Elend", vorbei an "Figuren, Elementen, Gruppen" müsse man heutzutage, um seinen Zug zu erreichen. Christian Steguweit, Chef des Geschäftsbereichs Personalbahnhöfe, wies bei einer Hamburger Veranstaltung über 'Die Privatisierung der Stadt' recht deutlich den Weg einer Innenstadt unter privater Kontrolle. Die "Aufenthaltsqualität für Personen mit Fahrscheinen sichern" bedeutet, den Rest vor die Tür zu setzen. Allein 224.000 Platz- und Hausverweise auf Berliner Bahnhöfen im letzten Jahr demonstrieren die gezielte Vertreibung ausgemachter Gruppen, denen sowohl die Nutzung der Bahnhöfe als auch deren Umgebung streitig gemacht werden. Um die "größten Übel zu beseitigen", rät Steguweit deshalb zu mehr "Service, Sicherheit, Sauberkeit". Die Gemeinschaft der "Wohlanständigen" (DB-Broschüre 'Marke Bahnhof') gilt hierbei der Deutsche Bahn AG als konforme Norm vorauseilender 'Gefahrenabwehr'. Die Zugriffsschwelle wird systematisch abgesenkt, so daß schon 'Verhaltensauffälligkeiten' und 'Unordnung' als Delikte gelten. Eine Plakat- und Anzeigenserie über 'das häufigste Vergehen im Bahnhof' (weggeworfener Apfelrest, Kaugummis), der Kinospot 'Zu Hause' und eine gleichlautende Bahnhofs- Großbild- TV- Kampagne geben hierbei den Ton vor: "Was Sie zu Hause nie tun würden, sollten Sie auch bei uns nicht tun. Aktion 'Saubere Bahn'. Die Bahn kommt!". Mit dem Schlußtext macht das Unternehmen klar, was Privatisierung vormals öffentlichen Raums bedeutet: Der Gast hat sich ordentlich zu benehmen oder wird vor die Tür gesetzt. |
URBANE ENTERTAINMENT CENTERDie Mutation der Bahnhöfe nach dem Konzept der Shopping Mall, wird mit Hilfe von Betreibern großer Einkaufszentren, wie der ECE-Projektmanagement GmbH vorangetrieben, die nun wiederum mit den Stichworten "Service, Sicherheit, Sauberkeit" ihr Einkaufszentrum am Potzdamer Platz annonciert. Nach Angaben der Bahn, steht im Laufe der nächsten Jahre die Sanierung von 6.500 Bahnhöfen an, welche durch die Verwertung brachliegender Bahngelände bezahlt werden soll.3.000 Verkehrsstationen sollen so zu profitablen Malls und Dienstleistungszentren mutieren, wobei die Konsumströme zwischen Bahn und Stadt miteinander verwoben werden. Mit geschätzten 150.000 Hektar Grundfläche im Wert von 13,4 Milliarden Mark ist die EisenbahnImmobilien Mangement GmbH der DB AG Deutschlands größter Immobilienbesitzer: Allein in Berlin gehören ihr 3400 ha Bahnareal. Derzeit werden in Stuttgart 160 ha mit einem geplanten Grundstückserlös von 2,2 Milliarden Mark marktgerecht präpariert. Das "Tor zum Zug und zur Stadt" benötige laut Steguweit "identitätssteigernde Nutzung", mit dem sich Bahnreisende identifizieren könnten. Gegen die Austauschbarkeit anderer Einkaufszentren, mit denen die neuen Shopping-Bahnhöfe, wie nun in Leipzig, konkurrieren, zählt die Bahn auf die "Emotionalität des Reisens" und "Nostalgie". In Pilotbahnhöfen setzt sie hierzu, neben Gepäckmännern in Uniform, wieder Wartesäle ersten und zweiten Rangs ein. Dabei führt die DB-Holding einen Klassen-Kampf von oben: BahnCard First. Die durch Privateigentum legitimierte Indoor-Praxis - wenn etwa das Bahnhofsmanagement in den als vormals 'öffentlich' empfundenen Orten immer aggressiver ihr Hausrecht geltend macht - gilt nun auch für den Outdoor-Bereicht. Derzeit befinden sich bereits etwa die Hälfte der Vorplätze in Bahnbesitz. Vereinheitlichung des Erscheinungsbilds, räumliche Beaufsichtigung und privates Management - so wie man es in Flughäfen und Passagen, Kaufhäusern, Malls und Freizeitparks kennengelernt hat - werden zunehmend von 'privaten' auf 'öffentliche' Bereiche wie Fußgängerzonen oder Plätze übertragen. Das als "Revitalisierung der Innenstädte" bezeichnete Werben um die "attraktive" Kundschaft bestimmt somit nicht mehr nur das Betriebsgelände, sondern auch die 'Gestaltung' des merklich unscharf formulierten "Bahnhofsumfelds". "Wenn uns nicht der Vorplatz gehört", so Bahnmanager Steguweit, wolle man ihn den jeweiligen Städten abkaufen. In kooperativen Diskussionen mit den Kommunen sollen nicht allein die Bahnhöfe, sondern zudem "abgerutschte" Viertel umdefiniert und aufgewertet werden. Hier zeichnet sich ein grundlegender Wechsel in der Stadtentwicklungspolitik ab, bei der auf Druck der national operierenden Bahn AG und den damit verbundenen Einkaufszentren die jeweiligen Verwaltungen mit dem Unternehmen gemeinsame Sache machen. So plant die Bahn gemeinsam mit der Stadtverwaltung Frankfurt/M und der Stella Musical Management AG auf 138 Hektar ein 'Urban Entertainment Center'. Bei der Neuordnung öffentlicher Räume, selbst in mittleren Städten der Bundesrepublik, wird die Bahn AG so zu einem zentralen Akteur, denn ihre Besitztümer weisen durch enorme Flächen, zentrale Lagen und eine optimale Verkehrserschließung auch einen hohen politischen Handelswert auf. Ist dies also 'Die Stadt im 21. Jahrhundert', wie es der Untertitel der PR-Wanderausstellung 'Renaissance der Bahnhöfe' bedrohlich annonciert? |
Innen!Stadt!Aktion! Sommer 98' am Berliner Alexanderplatz:
eine Minimaldemonstration mit fünf Plakaten, einem Flugblattverteiler und einer Demonstrantin.
Diese winzige Demo löste einen größtmöglichen Polizeieinsatz aus.
Der Berliner Alexanderbahnhof gefüllt mit Bereitschaftspolizei und die
polizeiliche Sicherung des Demonstrationszuges verursachten einen stundenlangen Verkehrsstau.
Piktogramme: Katja Reichhardt