...ist schon mal ein Besuch beim Friseur fällig.
Corinna Weidner sprach mit Künstler-Star Erik Schmidt / Pop-Künstlerin Linda London

ERIK SCHMIDT (28) wuchs in Herford bei Bielefeld auf und wurde allein von seiner Mutter aufgezogen. Er besuchte das Gymnasium in Herford und studierte illustrative Malerei an der Hochschule in Hamburg. 1995 zeigte er in der Ausstellung »Pop Trivial Kunst und Abenteuer« Bilder über Pilli, Sex und Drogen - und sorgte damit für seinen ersten Skandal. Mit Arbeiten wie »Modedesigner sind passiv« belebte er die Debatte um Genie und Geschmacklosigkeit immer wieder neu, schaffte es aber auch, das internationale Interesse auf junge deutsche Kunst zu lenken. Schmidt lebt mit seinem holländischen Freund Walter Arie van Wijk in Berlin.

LINDA LONDON (27) kam in Herford bei Bielefeld zur Welt. Seit dem fünften Lebensjahr wußte sie, daß sie Popstar werden wollte. Mit fünfzehn tauchte sie zum ersten Mal in die Clubszene von Herford ein. Nach vielen Versuchen, sich künstlerisch auszudrücken, begann sie 1994 das Schreiben und veröffentlichte noch im selben Jahr ihren ersten Text. »Salzstangen«verhalf ihr zum großen Durchbruch, es folgten »Hinterzimmer« und »Ich reise gerne«, die beide millionenfach gelesen wurden. Ihre schlacksige Figur und ihre unberechenbaren Auftritte bei öffentlichen Veranstaltungen machten Linda zu einem Sexsymbol der Neunziger. London ist auf der ganzen Welt zuhause.


Bei ein paar Flaschen teurem Champagner spricht Künstler Erik Schmidt (ganz links) mit Popstar Linda London (ganz rechts) über die irritierenden Begleiterscheinungen von Drogen, Erfolg mit Klubkultur und eine Kindheit in Herford. Neid-Kulturredakteurin Corinna Weidner trägt ein rotes Kostüm von Pierre d¹Alby und das neue Parfum von Tati.

Linda London und Erik Schmidt treffen sich zum Neid-Gespräch in einer kleinen, schicken Bar in Berlin. Wie viele andere prominente Künstler hat auch Erich ein Bild in der Bar hängen, eine ideale Kulisse für das Gespräch zwischen zwei Künstlern, die für Jugend und Erfolg in Deutschland stehen. Neid-Redakteurin Corinna Weidner hat ihnen andächtig gelauscht...

Linda London: Schöne Schuhe hast du, die sind von Gucci!
Erik Schmidt: Die habe ich bei Donna Karan gekauft. Eigentlich ist es ja verrückt, soviel Geld für Schuhe auszugeben, aber sie sind bequem und praktisch, außerdem ist Qualität ganz wichtig für mich.
Linda: Ja, einkaufen macht soviel Spaß. Viele Modedesigner schenken mir auch ihre neuesten Entwürfe. Es ist gut für sie, wenn ich ihre Sachen trage. Heute z.B. trage ich den weißen Anzug von Kai Dünnhölter, einem bekannten Hamburger Modedesigner und ein alter Freund von mir. Der sitzt fantastisch, denn Kai schneidert alles genau nach meinen Maßen. Wenn man so schlank und groß ist wie ich, ist es gar nicht so einfach, Sachen zu finden, die total perfekt sitzen.
Erik: Es hat mich schon immer beeindruckt, wie du mit deinen Kleidern ständig dein Image veränderst. Mir ist es oft zu zeitaufwendig, ein ausgefallenes Outfit zusammenzustellen. Ich habe mich heute für meinen schwarzen Anzug entschieden, das spart mir viel Nachdenken und ich sehe schön seriös aus. Lieber arbeite ich über Mode in meinen Bildern. Besonders an Schuhen kann man viel ablesen. Sie erzählen einiges über soziale Herkunft und Image-Bewußtsein. Bei meinem letzten New-York-Aufenthalt habe ich bei einem schwarzer DJ gewohnt. Er hat seine weißen Turnschuhe jeden Tag mit der Zahnbürste geputzt. Das fand ich ziemlich beeindruckend.
Linda: Stimmt. Ich kenne einen jungen Galeristen in Berlin, der großen Wert auf gute Schuhe legt. Leider sehen sie immer furchtbar langweilig aus. Aber wahrscheinlich ist er auch ganz langweilig. Mich sprechen in New York die Leute in den Clubs und sogar in der U-Bahn auf meine Schuhe an. Aber die Leute haben mich schon immer angesprochen, seit ich ein Teenager bin sprechen sie mich an, weil ich wie ein Popstar aussehe.
Erik: Ich weiß noch, wie wir uns das erste Mal begegnet sind. Du hattest einen Auftritt in Herford im GoPark, und es waren so viele Leute gekommen, daß ich ganz beeindruckt war und mir wünschte, einmal nur eine Vernissage mit so vielen Leuten zu erleben. Nachdem uns dann eine Kulturredakteurin vorgestellt hatte, war ich sehr beeindruckt, daß du den Rummel um deine Person so genießen konntest.
Linda: Ja weißt du, ich liebe Menschen, die mich lieben. Als Kind hatte ich immer Aufmerksamkeit. Als Star in meine kleine Stadt zurückzukehren war wie ein Traum, der wahr wurde.
Erik: Meine Mutter lebt ja immer noch in Herford. Wenn ich zurückkomme merke ich, daß sie stolz auf mich ist. Auch wenn sie mit Kunst nicht viel anfangen kann. Ich bin in armen Verhältnissen großgeworden. Als ich sechs Jahre alt war, fragte sie mich, was ich werden will. Zu der Zeit habe ich mit Fingerfarben Kartons bemalt, die für mich so groß waren wie eine riesige Leinwand. Ich sagte ihr, daß ich Maler werden will, und sie fragte mich, ob ich Häuser anmalen möchte. Nein, hab ich gesagt, ich will Bilder malen, damit ich selbst bestimmen kann, wann ich aufstehen will.
Linda: Das ist eine schöne Geschichte. Meine Eltern haben mich früher gezwungen, Flöte zu spielen und zum Zeichenunterricht zu gehen. Mich hat das immer gelangweilt. Ich wollte mich nie einer Gruppe anschließen und Sport war mir zuwider. Erst als ich erwachsen wurde spürte ich, daß ich eine Beschäftigung brauche. Eine Freundin hat mir geraten, an der Volkshochschule einen Kurs zu belegen, und da war nur noch Kreatives Schreiben frei. So habe ich mein Talent entdeckt. Eltern können soviel kaputt machen.
Erik: Ich denke, meine Eltern hätten gerne mehr für mich getan, aber sie konnten nicht. Wir haben lange in einer Sozialwohnung gelebt und in der Schule habe ich mich immer schlecht gefühlt, denn ich war ein Außenseiter. Die ganzen Rechtsanwaltkinder haben mich total angekotzt. Also bin in runter von der Schule und rein ins Nachtleben. Zuerst nach Herford, später dann nach Bielefeld. Ich habe mich immer nach einem intellektuellen und ästhetischen Umfeld gesehnt. Ich habe hart dafür gearbeitet und ich habe es geschafft!
Linda: Mir fällt da ein, daß die Kinder in der Schule immer neidisch auf meine Schuhe waren. Ich hatte ganz schicke Wildlederstiefel, bei denen man den Schaft umklappen konnte. Aber eigentlich habe ich in Herford nur meine jüngste Kindheit verbracht, die ich zum größten Teil verdrängt habe. Gerne erinnere ich mich nur an das große Haus und die amerikanischen Autos, die davor standen. Meine Mutter hat mich immer mit einem hellblauen Cadillac zur Schule gebracht. Später bin ich manchmal mit dem Taxi gefahren, wenn ich zu spät aufgestanden bin.
Erik: Du warst ganz schön verwöhnt! Als ich fünfzehn wurde, haben mir meine Eltern ein gebrauchtes Mofa geschenkt, eine Highsport. Damit bin ich sonntags in die Disko gefahren. Das war total klasse dort, denn wenn man bei dem Sensor-Spiel mitgemacht hat, wo man diese Tasten nachdrückt, das gibt¹s ja alles nicht mehr, denn konnte man was gewinnen. Und ich habe doch tatsächlich den Hauptpreis gewonnen, das war ein Mofa. Da hatte ich tatsächlich zwei.
Linda: Mofa wäre ich nie gefahren, denn ich hatte damals eine Dauerwelle und die hätte der Helm zerdrückt.
Erik: Ich glaube, jeder Mann sollte einmal in seinem Leben eine Dauerwelle getragen haben. Wenn ich so darüber nachdenke ist es doch wirklich intressant, wie Chemie die Natur verändern kann. Also, das erste Styling, das ich bewußt mitgemacht habe, war Popper. In den 70ern war alles designt, da kam man einfach nicht dran vorbei. Jeder hatte ein orangenes Geschirr zuhause, ob aus Plastik oder aus Keramik. Aber in den 80ern gab es plötzlich den Wert-Wert und das schraubte sich mit dem Styling noch hoch: es war eben nicht mehr egal, was für ein Poloshirt man anhatte: da mußte ein kleines Krokodil draufsein, und das hat man nur für 120 Mark bekommen. Nur wer die Zeichen kannte, konnte sie auch kaufen. Heute lassen sich anscheinend alle Zeichen vermarkten und die größte Angst ist die vor dem Mainstream.
Linda: Ich weiß gar nicht, was Mainstream ist. Wichtig ist doch nur, daß man sich gut fühlt. Popstars sind immer gut angezogen und sehen immer gut aus. Künstler sind meistens komisch angezogen. Manche haben immer Farbreste an den Fingern, das finde ich nur schmutzig. Ich meine, KFZ-Mechaniker sind zwar auch ölveschmiert, aber die sehen dafür geil aus mit ihren kräftigen Unterarmen. Ich hatte noch nie Sex mit einem Künstler, obwohl ich mir das immer wünsche.
Erik: Warum eigentlich nicht?
Linda: Ich glaube, ich fühle mich ihnen einfach nicht gewachsen.
Erik: Da fällt mir ein, daß ich mal eine Serie mit vier Bildern gemacht habe, die hieß: Modedesigner sind passiv. Ich war damals total verliebt in einen Modedesigner, der nichts von mir wissen wollte. Es war ziemlich lustig, denn als ich einem Modestudenten von der Serie erzählt habe, mußte er total loslachen. Anscheinend hatte ich genau ins Schwarze getroffen. Daraufhin habe ich die Bilder in die Modeschule gehängt.
Linda: Sind Künstler eigentlich auch eher passiv?
Erik: Gute Frage. Ich glaube, Künstler machen schlechten Sex. Der Erfolg, den man über Kunstmachen bekommt, ist solch eine Ersatzbefriedigung. Jeder sucht doch Erfüllung in der Liebe und im Sex. Besonders schwule Künstler überschätzen ihre sexuelle Ausstrahlung total. Das kann richtig anstrengend werden: kleine häßliche Diven, die besoffen durch die Nacht huschen und dann mit ihrer unbefriedigten Geilheit im Darkroom enden. In der Kunstszene wird Sex ganz komisch unterdrückt. Man redet darüber, aber eigentlich sind alle ganz verklemmt oder so verkorkst, daß ihnen nur noch im Kopf einer abgeht. Aber das ist ja überall so.
Linda: Wahrscheinlich denken alle an Sex, aber reden nicht gerne darüber. Als Popstar ist es wichtig, über Sex auch in den Medien zu reden, die brauchen das.
Erik: Entschuldige, aber ich finde das sehr schwierig. Unsere Medienwelt verlangt von Künstlern die gleiche Präsenz wie von Popstars: Künstler geben Interviews in Modezeitungen oder laufen für Designer über den Laufsteg.
Linda: Es ist aufregend, mit berühmten Künstlern zu sprechen. Aber ich finde es blöd, daß Künstler oft schlecht angezogen sind. Glauben die wirklich, man würde nur auf ihre Bilder gucken? Ich kenne niemanden, der auf eine Vernissage geht, um sich Kunst anzuschauen.
Erik: Es wäre ja toll, wenn die Leute sich auf Vernissagen maßlos betrinken würden, um sich dann gegenseitig abzuschleppen. Aber es ist immer eine halbherzige Sache, bei der es in erster Linie um ein geschäftliches Abchecken geht. Anstelle sich seinen Schwanz zu zeigen, zeigt man sich seine Bilder. So ist das eben. Um in der Szene Erfolg zu haben, muß man in Kauf nehmen, daß man für und mit dem System lebt. Und um sich davon zu entspannen, läßt man sich die Hucke vollaufen. Mal ganz ehrlich: ich kann mich auf Vernissagen gut vergnügen, wenn ich angetrunken bin.
Linda: Manchmal habe ich Angst, von Drogen abhängig zu werden. Aber Künstlerinnen wie Nan Goldin zeigen doch, daß man auch mit Drogen ein Popstar werden kann. Es ist schon traurig, daß so viele Menschen Drogen nehmen, die ich kenne. Modeleute, Musiker, auch Künstler. Aber es macht auch immer wieder Spaß. Leider werde ich immer so depressiv, wenn ich Drogen nehme und da muß ich aufpassen. Aber deswegen gehe ich jetzt zur Therapie.
Erik: Von Nan Goldin wollen alle Autogramme und mit ihr fotografiert werden, aber keiner will mehr Drogen nehmen. Mal ganz ehrlich, wenn Nan ein Heroinwrack wäre und nicht wie ein Phönix aus den Drogen entstiegen, dann würde ihr keiner die Hand schütteln wollen. Als Künstler soll man eine harte Biographie haben, aber man muß fit genug sein, um Leistung zu bringen. Oder man muß schon tot sein.
Linda: Ja, Kunst und Drogen gehen wohl doch oft zusammen. Mich inspirieren Drogen manchmal zu meinen Geschichten. Eine Therapie kann wirklich helfen, mit Drogen umgehen zu lernen.
Erik: Künstler, die auf Drogen arbeiten, machen auch Kunst, die genauso aussieht. Das finde ich ganz schrecklich.
Linda: Nach meinem Kurs an der Volkshochschule habe ich mir ja die Figur Pilli ausgedacht und begonnen, in deren Identität Geschichten zu schreiben. Wenn ich also diese Geschichten schreibe, werden sie oft depressiv. Ich verstehe das gar nicht, denn wenn ich depressiv bin, liegt das eigentlich meistens an den Drogen. Ich werde dann auch oft müde, aber das geht vorbei. Andererseits helfen Drogen, gut drauf zu sein, und das ist für mein Auftreten in der öffentlichkeit wichtig: wer liebt schon einen depressiven Menschen.
Erik: Erinnerst du dich noch, als wir gemeinsam in der Volksbühne in Berlin waren, und dort die Klub Kultur totgeredet wurde? Auf der Bühne saßen nur alte Männer und erzählten, wie Kraftwerk ihr Leben verändert hat. Leider hat man davon nichts mehr gemerkt.
Linda: Ja, wir haben uns einen tollen Spaß gemacht und nur rumgekreischt: »wo sind die Party-Drogen?« Drogen gehören zum Ausgehen einfach dazu und ich finde es schön, wenn man lustig ist. Es war absurd, daß es dort keine Drogen zu kaufen gab, das ist mir noch in keinem Klub der Welt passiert.
Erik: Klub heißt Musik, Drogen und Sex. Wenn keine Drogen mehr konsumiert werden, reden alte Männer über Klub Kultur. Immerhin wurden ja fünf bunte, pillenförmige Kreise hinter ihnen an die Wand projeziert. Und so wurden die Drogen dann eben zur Kunst.
Linda: Auch das Publikum dort war so brav. Aber Musik zu reden finde ich sowieso nicht sexi, dabei finde ich es sehr schön, sexi zu sein. Warum reden eigentlich immer noch alle über Klub Kultur?
Erik: Ganz einfach: das ist ein Generationskonflikt. Musik ist sexi, aber über Musik zu theoretisieren ist total unsexi. Und das ist genau das Problem, was die Kunstszene hat, übrigens auch die komischen langhaarigen Männer aus der Studentbewegung, die jetzt alles besser wissen. Viele können es nicht akzeptieren, daß ihre Jugend auch einmal ein Ende hat. Deshalb schreiben sie darüber Artikel im Kunstforum, weil sie voller Neid sind. Und die jungen Menschen sind so blöd, daß sie losrennen, und sich das kaufen.
Linda: Anstelle einer Kunstzeitung sollten sich junge Menschen lieber eine Pille kaufen, die bringt mehr Spaß. Obwohl ein bißchen Theorie auch sexi ist. Ich werde ja oft von Künstlern fotografiert, weil ich sexi und modern bin. Übrigens ist es in keiner Stadt so schwer, Kokain zu kaufen, wie in Berlin. In der Kunstszene ist es noch viel schwieriger, ich weiß gar nicht warum. Sind die hier alle zu arm dazu?
Erik: Das kann schon sein. Viel schlimmer finde ich, daß in Deutschland die eigene Klub Kultur immer als Subkultur abgestempelt wird. Diese selbsternannten Kunstintellektuellen haben doch einfach nur völlig neurotische Berührungsängste. Alle starren auf die Briten, für die das anscheinend kein Problem ist. Dabei gibt es hier wunderbare Leute: Ina, Neid und ich. Auch in Deutschland ist die House und Technoszene eine eigenständige Kultur, die spätestens mit ihrer Vermarktung ein Ende findet. Jetzt, wo die Klub Kultur stirbt, müssen sich viele umgucken, wie sie überleben.
Linda: Ich kaufe ja auch immer wieder Kunst. Von dir habe ich doch letzten Monat erst dieses große New-York-Bild gekauft. Das wird in meinem neuen Linda-Lounge-Klub-Kaffee hängen, was in ein paar Monaten eröffnet. Dort werde ich auch Ausstellungen und Lesungen veranstalten. Genaugenommen ist ein Kaffee der beste Ort für Popkultur.
Erik: Dinge passieren, weil ich älter werde: ich habe Pillen genommen, dann Pillen gemalt und jetzt will ich Pillen verkaufen. Kunst über Klubkultur zu machen ist schon richtig, auch sie zu verkaufen. Aber wenn Klubkultur als Kunst vermarktet wird, ist es furchtbar: dann rennen alle Leute aus der Kunstszene in den Klub und wollen das nachleben! Eine Party ist zum erleben da, die Wirklichkeit ist 1000 mal abgedrehter als ein Video in der Galerie.
Linda: Laß uns mal von etwas anderem reden: ich habe gar keine Zeit mehr für Hausarbeit. Ich lebe nur noch in Hotels und entspanne mich beim Fernsehen. Vielleicht finde ich es deshalb toll, wenn Künstler sich die Mühe machen zu sticken und zu häkeln. Dafür wäre ich viel zu nervös.
Erik: Also Kiki Smith hat ja in Lübeck auf ihrer Eröffnung in der Kirche gehäkelt. Damit konnte ich gar nichts anfangen. Ich lache mich immer tot, wenn schwule Künstler, die nähen und stricken, sich abends in den Lederfummel schmeißen und auf harte Kerle machen. Total schizophren.
Schwule sind doch mittlerweile nur noch ein Abziehbild ihrer selbst, entweder verhuscht, rasiert oder Dandy. Alles nur Klischees. Ich gehe nur noch in Hetero-Bars. Was Klamotten und Musik angeht, sind die Heteros viel moderner als die Mimis.
Linda: Komisch, ich kann heute nicht mehr hundertprozentig sagen, wer schwul oder hetero ist. Das ist ziemlich verwirrend aber eigentlich auch ganz schick. Ich habe schon oft für Männer geschwärmt, von denen ich dachte, daß sie auf Frauen stehen. Bis ich erkennen mußte, daß sie auf Typen abfahren. Vor kurzem hat mir eine Frau in die Hose gefaßt, das fand ich ganz aufregend. Vielleicht sollte ich mal mit einem Pärchen Spaß haben. Darüber könnte ich eine tolle Geschichte schreiben. Wenn ich nicht offen bin für neue Erfahrungen, bleibt mein Leben und meine Arbeit ohne neue Impulse.
Erik: Ich glaube, ihr Popstars habt es viel einfacher. Als Künstler fühle ich mich wie in der Zwickmühle: man hat was gelebt, dann kommt der Kunstmarkt, der das vermarkten will und packt noch eine Theorie drauf, die ich als Künstler gar nicht bin. Man muß sich selbst treu bleiben, sonst geht die eigene Unschuld verloren. Wichtig ist nicht das, was die anderen an einem beschäftigt, sondern was einen selbst beschäftigt.
Linda: Ich finde, du solltest das tun, was dir Spaß macht. Denk nicht soviel über die anderen nach. Ich weiß doch, wovon du redest, ich bin auch oft depressiv