Erik Schmidt
Pilli in London
Es ist noch sehr warm für Oktober. Pilli sitzt in einem Café irgendwo in Soho. Ein Reiseführer und ein Stadtplan liegen vor ihr, ein heißer Café dampft und sie freut sich, daß sie in London sein kann.
Sie hatte Geschäftliches zu tun, aber jetzt ist sie frei, der Nachmittag und die Nacht gehören ihr.
Die Menschen um sie herum sind laut und schön, schwule Männer in Lederhosen keifen sich an, Frauen in kurzen Röcken lachen laut und Kinder werden brüllend von ihren Vätern über den Platz gezogen. Es treibt sie weiter, sie bezahlt ihren Café und läuft los.
Sie läuft durch kleine Straßen mit Designerläden und Galerien. Pilli betritt eine Galerie, schaut auf Fotografien und sie gefallen ihr gut. Man kann soviel sehen in einer fremden Stadt.
Oxford Street, Menschen schieben sich an großen Kaufhäusern entlang. Pilli fühlt sich hier wohl. Die Mode ist viel aufregender hier.
Sie hat Lust sich etwas zum Anziehen zu kaufen, damit sie heute Abend ausgehen kann.
Es sind Schuhe, weiße Stiefeletten, so lange hatte sie keine Schuhe mehr gekauft und der Laden war sehr billig. Jetzt muß noch eine passende Hose her, das ist toll, nur drei Läden weiter und die Wahl ist gefallen. Pilli ist total befriedigt und läßt sich jetzt weiter die Oxford Street entlang treiben.
Pilli läuft und läuft, sie bewundert die prächtigen Gebäude, hält Ausschau nach gutaussehenden Männern und stellt sich vor, wie es wäre in London zu wohnen. Die Stadt ist so schnell. Es wird dunkel und Pilli läuft über die Charing Cross Road in Richtung Süden. Am Nelson Square verweilt sie wieder einen Moment, bewundert den Platz, der schon leer ist. Sie überlegt einen Moment, wen sie in Deutschland anrufen könnte, um den Moment zu teilen, doch dann läuft sie weiter. Die Geschäfte verschwinden und die Menschen werden weniger. Pilli ist allein.
Die Kreuzung, die sie überqueren muß ist groß. Sie überlegt einen Moment, ob sie umkehren soll und zur U-Bahn gehen, aber sie will an die Themse. Direkt am Houses of Parlament kommt sie an, eine Brücke führt über den Fluß und eine häßliche Baustelle versperrt die Fahrbahn, so daß man einen Umweg laufen muß, um über die Straße zu kommen auf die schönere Seite, da beginnt das Glockenkonzert. Pilli setzt sich auf einem Pfeiler aus kaltem Sandstein und schaut den Fluß entlang.
Sie sieht eine junge Frau, die auch allein ist, sie will aufstehen, doch es funktioniert nicht, ihre Beine sind steif und die Einsamkeit schnürt ihr den Hals zu. Die Männer, die Frauen laufen an ihr vorbei.
London ist so schnell.
Pilli hält noch eine Weile durch, steht dann auf und läuft zur Pension. Sie könnte den Bus nehmen aber sie läuft und läuft, völlig zerschlagen kommt sie an. Ihr Zimmer ist sehr klein, aber hat einen Fernseher. Sie stellt den Ton aus und fällt auf Bett. Sie streift die Schuhe ab und schließt die Augen, sie könnte schlafen, aber der Tag ist noch nicht zu Ende. Unruhig döst sie vor sich hin, und irgendwann später starrt sie gegen die Zimmerdecke, der Fernseher läuft noch, es gibt kein M-TV.
Sie kann nichts verstehen. Sie ist in London. Sie will noch etwas.
Sie holt die Stadtzeitung aus der Tasche. Haeven, so heißt der Club, den sie sich aussucht. Sie erhebt sich und beginnt sich herzurichten. Die neuen Klamotten retten ihr das Leben.
Sie ist etwas angeschlagen von dem Gelaufe heute Nachmittag. Was ist nur in sie gefahren?
Sie setzt sich aufs Bett und zündet sich einen Zigarette an. Sie kann ihr Gesicht im Spiegel über dem Waschbecken betrachten. Sie sieht gut aus. Sie schaut sich gerne an.
Sie greift das Portemonnai vom Nachtisch und holt ein kleines Briefchen mit Koks heraus. Ein kleiner Rest von einem schon so weit entfernten Wochenende.Sie hackt das Koks mit dem Personalausweis und zieht es und geht los.
Ein Taxi nimmt sie, damit sie schnell in den Club kommt. Nur eine kurze Schlange steht vor dem Eingang, aber Pilli kommt schnell hinein und betritt das Innere.
Die Musik ist gut, sie kennt die Beats. Sie fühlt sich zuhause. Die Leute sind schriller und etwas Fremdes ist auch da. Sie schaut in schwarze Gesichter, und eine Asiatin in weißem Satinkleid tanzt an ihr vorbei. Pilli stellt sich locker an die Tanzfläche.
Transen und nackte Vortänzer schweben auf einem Podest über der Tanzfläche. Sie kauft ein Glas Sekt.
Schwarze Dealer steifen und zwinkern um sie herum. Überall das gleiche. Pilli hat keine Lust auf Ecstacy. Sie kann nicht, sie muß Morgen fit sein. Pilli fängt an zu tanzen und versucht den Rhythmus zu genießen. Der sieht gut aus. Pilli sucht sich einen Typen aus und versucht ihn zu taxieren. Der Type verschwindet. Sie trinkt noch ein Glas Sekt.
Sie ist steif und versucht mit dem Rhythmus zu gehen. Ein paar Leute auf der Tanzfläche ziehen Poppers. Iiih, wie ekelhaft. Pilli kippt den Sekt runter und holt sich noch ein Glas. Ihre neuen Schuhe drücken und die Hose zwickt im Arsch. Sie kann sich im Spiegel hinterm Tresen sehen.
Ihr Haar sitzt nicht, sie hatte keinen Föhn.
Sie will, daß es ihr gutgeht. Sie stellt sich an die Tanzfläche und fragt den erstbesten Dealer nach dem Preis einer E. Sie hat gerade noch genug Geld. Kurz denkt sie an Morgen, wie wird es ihr gehen. Doch das Geschäft ist schon in Gang. Sie zerbricht die E geschickt in ihrer Hand und nimmt die Hälfte.
Pilli trinkt den Sekt aus und fängt an zu tanzen. Der zu erwartende Rausch macht sie glücklich. Sie gibt sich der Musik hin. Sie ist geil. Sie ist schön. Es sind Männer da, die ihr gefallen. Toll, daß sie die neuen Sachen anhat. Pilli fängt an zu schwitzen und geht zur Theke. Sie läßt sich mit ihren Vodka auf einem Stuhl gegenüber der Theke nieder.
Die Leute sitzen hier in kleinen Gruppen an Tischen und unterhalten sich angeregt. Pilli nicht, sie raucht eine Zigarette, ihr Blick streift über die Gesichter, die Asche fällt auf ihre Hose, ein paar Augen sind auf sie gerichtet. Sie lächelt. Der Mann lächelt zurück und kommt zu ihr. Sie rauchen zusammen und reden nur wenig. Er ist Amerikaner und Pilli gibt sich schüchtern. Zusammen tanzen sie. Pilli geht zwischendurch auf Toilette und nimmt die andere Hälfte. Sie ist total breit. Der Typ auch, sie fangen an zu knutschen und pressen ihre Körper aneiander. Sie will ficken, er auch.
Das Taxi zur Pension fährt über Piccadilly Circus. Amor steht auf einer Säule. London ist wild.
Sie reden nicht mehr miteinander, es braucht keine Worte mehr.
"Nice Room" Sie steigen aus ihren Klamotten und lassen sich auf das kleine Bett fallen. Pilli ist wild, der Schwanz ist geil.
Sie bläst, leckt und starrt an die Decke. Sie bekommt kaum noch etwas mit. Sie ist zu breit .Sie versucht sich auf den Fick zu konzentrieren, aber sie spürt kaum wie er in sie eindringt. Ihr Kopf stößt gegen das Bettende. Sie will es genießen, aber es ist vorbei. Pilli fällt in einen unruhigen Schlaf.
Nach fünf Stunden wacht sie auf, der Amerikaner liegt wach neben ihr. Hoffentlich geht er. Pilli ist nicht in der Lage zu denken. Ihr Kopf schmerzt, er schreibt ihr die Adresse seines Hotels auf, sie soll ihn anrufen. Pilli lügt freundlich.
Er geht. Ihr Körper kribbelt, sie ist noch etwas breit und trinkt etwas Wasser. Sie findet keinen Pariser am Boden. Pilli starrt in den Spiegel und versucht sich zu erinnern.
Es geht nicht. Sie fängt an ihr Haar zu bürsten und starrt aus dem Fenster. Gegen Mittag erhebt sie sich, ihr Flugzeug geht in zwei Stunden. Ihre Augen sind Rot geschwollen. Sie packt ihre Sachen zusammen, legt die Schlüssel auf den Nachttisch und verläßt die Pension.
Die U-Bahn von Victoria Station umsteigen in South Kensington und dann bis Heathrow. Pilli ist heiß und die Fahrt ist lang. Sie wird es schon überleben.
Sie setzt eine Sonnenbrille auf und versucht den Blicken zu entgehen. Sie steigt aus und fährt mit dem Bus zurück. Pilli läßt alles über sich ergehen, nach dem Einchecken hat sie sogar noch fünf Minuten ihr letztes Geld auszugeben. Sie kauft eine Großpackung After Eight, das erinnert sie an Weihnachten als sie noch klein war.
Jetzt ist sie groß und im Sommer fliegt sie nach New York.
Zeichnungen: Erik Schmidt