Du hast ja mal Kunst studiert, hat das Deine Musik in irgendeiner Form beeinflußt?
Ich bin eher Musiker als Künstler, glaube ich. Hab so mit 9 angefangen Gitarre zu spielen, mich also schon früh für Musik interessiert, aber gleichzeitig hat mich eigentlich auch schon Kunst interessiert. Nach der Hochschule habe ich mich kurze Zeit als Videoregisseur betätigt...
Nutzt Du diese Kenntnisse von damals heute noch? Ich mochte Dein erstes Video 'Ohé O Bang Bang', welches vor einer Weile auch im Hamburger Kunstverein gezeigt wurde, sehr. Gibst Du so etwas heute ab, machst Du überhaupt noch Videos?
Also, das war damals auch schon eine Zusammenarbeit mit Leuten.... und zwar mit Akiko Hada und Karl Bonnie. Akiko Hada ist eine sehr begabte Video-Editorin und auch Künstlerin, und Karl Bonnie ist Musiker. Mein Hauptinput bestand in dem Konzept, und das Konzept war, eine Arbeit zu übertragen, wie ich sie musikalisch mache, nämlich Teile zu mixen, hinterher zu schneiden, durch den Schnitt die Reihenfolge zu erzeugen, und das auf Video zu übertragen. Das heißt, wirklich parallel zu übertragen, in dem Sinne, daß wir Bilder und Ton gleichzeitig aufgenommen haben, und dann durch den Schnitt, hinterher einen Bild- und Ton-Rhythmus erzeugt haben.
Du willst damit sagen, es gab keine extra Tonspur?
Genau, das (Musik-) Stück ist durch den Bildschnitt entstanden.
Das ist ja toll, ich dachte, das wären Fakes, wenn Du mit dem Knochen auf den Tisch haust, dann ist das auch der original Beat?
Genau! Es hat mich einfach immer interessiert, Bild und Ton nicht illustrativ zu kombinieren, wie man das normalerweise macht, also zuerst das Bild und das wird dann mit dem Ton illustriert. Es kam mir darauf an, eine dialektische Vorgehensweise zu haben, die das eine mit dem anderen wechselseitig verbindet.
Ist das Dein einziges Video, welches Du gemacht hast?
Ne, ich hab viele Videos gemacht, wobei meine Videoarbeit immer mehr konzeptionell gewesen ist, also jetzt von der Seite, selber Bilder zu produzieren, wie z.B. Kamera zu machen. Ich hab auch oft einfach Videos von Freunden umgeschnitten, damals auf der Kunsthochschule und die dann musikalisch weiterverarbeitet.
Gab es da keine Einsprüche?
Doch, die Leute sind dann teilweise richtig sauer geworden. Na ja für die Jeremy Days hab ich mal Regie beim Video geführt. Da habe ich auch ein ganz ähnliches Konzept angewendet, nämlich 'film footage' gekauft bzw. die Rechte gekauft, von Kenneth Anger, das ist son Underground Filmer aus den 60er Jahren, der Film hieß 'in auguration of the pleasure dome', und das ist ein sehr psychodelischer Film von einer Party, die Leute nehmen da Drogen, ... die Gruppe habe ich dann mit diesem 'blue box' Verfahren gefilmt, und sie ähnliche Bewegungen machen lassen, wie sie auch in dem Film vorkommen, um sie dann da in den Film zu montieren. Und das funktionierte auch ganz gut, es ist ein schönes Video gewesen.
Mit Christoph Kaiser von den Jeremy Days, arbeitest Du momentan im Studio an Deiner neuen LP.
Genau, da haben wir uns kennengelernt, Christoph Kaiser und ich.
Und hast Du heute Visuals dabei, wenn Du live auftrittst?
Ich bin lange nicht live aufgetreten. Genauer seit Mitte der 80er Jahre nicht mehr.
Für Leute, die Dich nicht kennen, was hast Du damals für Projekte gemacht?
Ich hab vier LP's gemacht. Eigentlich fünf, die erste, da war ich der Sänger, der Gruppe 'Palais Schaumburg' da haben wir so 'Postpunk' Musik gemacht. Die relativ einflußreich war in Deutschland. Dann habe ich mein erstes Soloalbum gemacht, da habe ich den Sampler entdeckt. - Das war Anfang der 80er Jahre, und dadurch habe ich mich unabhängig von der Gruppe gemacht, indem ich einfach mit dem Sampler drums einspielen konnte. Palais Schaumburg war live Musik, ich war früher auch Gitarrist. Samplen, das war damals halt total neu, das kann man sich heute nicht mehr so vorstellen. Beim zweiten Album habe ich die Möglichkeiten des Samplers weiter erprobt. D. h. nicht mehr nur einzelne Sounds zu samplen, sondern die gesamte Art und Weise, wie etwas produziert ist zu samplen. Ich habe ganze Passagen von Avantgarde-Schallplatten, oder Pop-Schallplatten gesampled, die eine sehr aufwendige Produktion hatten. Es war schon faszinierend, daß man einfach nur durch die Tatsache, daß man einen Sampler hatte, sich bestimmte Sounds und Produktionen nehmen konnte, für die man vorher unglaubliche Geldmengen haben mußte.
Ja, dann kam das dritte Album, und da habe ich dann schon in London gewohnt, und dieses Album ist eine Mischung aus dem eigentlich sehr deutschem Background, den ich hatte, und der englischen Szene, in die ich dann langsam eingesickert bin.
Wie hießen diese drei Alben?
Das erste hieß, 'Ein Bündel Fäulnis in der Grube', das zweite hieß, 'Oben im Eck', das dritte hieß, 'As is', da habe ich dann auch teilweise englisch gesungen. Das vierte Album ist eigentlich kein Album von mir, sondern ein Remix-Album. Wo andere Leute meine Stücke gemixt haben.
Und wie hieß dieser Sampler, mit dem Du damals angefangen hast zu arbeiten?
Der erste Sampler, mit dem ich angefangen habe zu arbeiten, war der erste einigermaßen billige Sampler, den es gab, und der nannte sich: 'Emulator 1'. Der hat damals allerdings noch 25.000 DM gekostet und hatte 6 Sekunden Sample-Zeit, den konnte ich mir auch nur mieten in der Zeit. Vorher gab es nur so Sampler wie 'Fairlight', da haben dann so Supergruppen wie 'Yes' Orchester mit imitiert.
Du sagtest mal, Dich interessiere nicht so sehr die Songwriter-Ebene an einem Stück, sondern eher der Sound, da gibt es ja nun die ganze Ambient Ecke, die Du sicherlich nicht mit Sound meinst, bei Dir sind es ja sehr rhythmische, früher sogar poetische, wortrhythmische Experimente. Das hat sich ja heute etwas geändert, wie ist das mit den Worten, ist das für Dich langweilig geworden, oder stand das damals für Dich in einem ganz bestimmten Kontext, den es so heute nicht mehr gibt?
Die Wortebene hat sich verändert, insofern, als ich damals die Texte geschrieben habe, um mich vom reinen Musiker-Sein zu emanzipieren. Texte als Erweiterung, d. h. auf der inhaltlichen Ebene eine Aussage zu transportieren, was vorher mit der reinen Musik nicht möglich war.
Ich habe festgestellt, daß ich unbewußt eine Stilrichtung verfolgt habe, die man als dadaistisch bezeichnet. Ich kannte Dada damals nicht. Heute kenne ich diese Sachen. Als ich es selber als dadaistisch wahrgenommen habe und eben andere Leute auch, wurde das zu einer Erwartung.
Das wurde dann für mich sehr schnell uninteressant, und außerdem, finde ich Texte machen eine der schwierigsten Sachen überhaupt. Ich glaube, daß dadaistische Texte nur bis zu einem bestimmten Punkt funktionieren. Wird die dadaistische Form selber zu einer Stanze, die Du immer wieder reproduzierst, stellt sich dieser emotionale Effekt nicht mehr ein, den es hat, - nämlich sich von bestimmten Pop-Klischees zu befreien!
Der Grund, warum ich heute keine Texte mehr mache, ist auch, daß es für mich immer schwieriger wurde, eine Aussage zu transportieren.
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Wenn Du von Aussage sprichst, klingt das sehr klar, wenn ich an 'Oben im Eck' denke, ist das sehr abstrakt, poetisch nicht unbedingt auf eine bestimmte Aussage ausgerichtet, oder siehst Du das anders?
Genau, diese abstrakte Textebene, die ist für mich letztendlich doch sehr begrenzt, das will ich damit sagen.
In den 80er Jahren würde ich Deine Musik als Kunst bezeichnen, obwohl es sich dabei um Musik handelt, ich glaube, Du wurdest damals auch sehr stark so rezipiert?
Ja. Ich habe mit Wolfgang Müller von der 'Tödlichen Doris' ein paar Stücke zusammen gemacht, oder die Video-Oper 'Die Hose', mit Andreas Dorau. Später haben Wolfgang und ich noch mal an dem Hörspiel 'Little Present', für den Bayrischen Rundfunk gearbeitet, welches später im Kunstverein Hamburg präsentiert wurde. - Es gab ein Projekt 'Unerhört', in Zusammenarbeit mit Schwerhörigen und Gehörlosen.
Zuerst wolltest Du Dich vom Pop befreien, und jetzt habe ich das Gefühl, bist Du wieder sehr um einen Anschluß an den Pop bemüht? Spielte Dein Umzug nach London da eine Rolle?
Ich bin vor etwa 12 Jahren nach London gezogen. Ich wurde als Kunst rezipiert und das war mir auch Recht, weil ich das Gefühl hatte, im Kunstbereich einen viel größeren Freiraum zu haben. Das hat aber letztendlich dazu geführt, daß das Publikum immer kleiner wurde. Ich habe das immer mehr marginalisiert und das hat dann natürlich auch finanzielle Auswirkungen gehabt. Irgendwann konnte ich davon gar nicht mehr richtig leben. Und ich habe immer von der Musik gelebt. Ich habe dann wirklich kommerzielle Sachen nebenher gemacht: Werbemusik, Popvideos, lauter so Sachen. Irgendwie war das eine seltsame Erfahrung, denn dadurch, daß ich mich von Pop-Klischees befreit habe, kam ich dann in den Zugzwang, wesentlich kommerziellere Sachen zu machen, einfach um Geld zu verdienen, als ich es gemacht hätte, wenn ich es auf so einem Popformat belassen hätte.
Das war die eine Sache, die andere war, daß Musik machen und auch Kunst machen, wenig Spaß machen, wenn Du kein Publikum hast. Das Publikum ist mir einfach wichtiger geworden. Diese ganze Avantgarde-Haltung der Postmoderne hat sich ja auch ein wenig relativiert, dadurch daß man sich formalistisch auf formal musikalische Bereiche eingrenzt, die dann für einen Freiraum stehen. Es ist nicht garantiert, daß die Produktion, die man macht, dadurch wirklich gehaltvoller wird. Außerdem tauchen diese Elemente heute auch in der Werbung auf.
Und was hat Dich an London gereizt?
Der Grund, warum ich nach London gezogen bin war kein musikalischer, ich konnte einfach so in Deutschland nicht mehr weiterproduzieren, ich habe damit kein Geld mehr verdient, in London schon. Musikalisch hat mich an London dieser 'Melting Pot' aller Kulturen interessiert. Am spannendsten fand ich natürlich diese Dance Musik. Daraus entstand auch das Remix-Album Ende der 80er, viele Musiker, die ich bei meiner kommerziellen Arbeit für Mute Records kennenlernte, auf deren Lable ich bis heute bin, arbeiteten daran mit.
Waren damals schon Jungle Remixe auf dem Album?
Also dieses Wort 'Jungle' kannte ich 1990 noch nicht. Das ist meiner Ansicht nach erst so '92, '93 aufgetaucht, ich bin zwar kein ausgesprochener Clubgänger, aber das hat sich wohl so aus dieser Rave Musik mit Einflüssen aus Ragga entwickelt. Die Rave Musik wurde immer schneller, immer manischere Loops waren zu hören - dann kam Jungle... ich bin kein Historiker, so hab ich's mitbekommen.
Dein Japan Projekt 'Little Present' liegt zwischen Dancetrack und Hörspiel, es ist Deine letzte Veröffentlichung, welches Publikum wolltest Du damit ansprechen?
Es war zuerst einmal eine Auftragsarbeit, als Hörspiel, für den Bayrischen Rundfunk. Und für mich persönlich war es eine Auseinandersetzung mit Trash-Kultur. Und Japan ist der geschaffene Ort für so ein Thema. Mein Sohn wohnte damals in Japan, und den habe ich jedes Jahr dort besucht. Mit meinem DAT-Recorder habe ich mich dann überall dort bedient. Viel Werbung aus dem Fernseher, Aufnahmen auf der Straße, in der Disko...
Die CD war wohl limitierte Auflage, vom Preis her zu schließen?
Ich war damit happy, daß es im Radio lief, die CD war ein Nebenprodukt. In ein paar Jahren wird man bestimmt ein sehr konkretes Zeitdokument in dieser CD sehen, Entstehung der Trash-Kultur... . Anstatt Trash-Kultur ideologisch zu kommentieren, habe ich sie reflektiert.
Du arbeitest gerade an Deiner neuen LP, kannst Du dazu was sagen, wann kommt die raus?
Die ist für September '96 geplant....
Wird es eine Maxi für DJ's geben?
Ich habe sehr viele Jungle und Drum and Bass Einflüsse auf dieser Platte und habe da auch viel mit englischen Musikern zusammengearbeitet, die das professionell machen. Man könnte also ohne weiteres daraus eine Maxi machen... das wird aber wohl nicht der Fall sein, weil es nicht meine Ambition ist, auf der Ebene dieser Leute, die diese Musik machen, mitzuhalten, um einen Club-Hit zu kreieren. Für mich steht im Vordergrund, diese Einflüsse zu nutzen, ohne mich in dieses Genre völlig fallen zu lassen.
Du kannst Dich wohl nicht ganz davon lösen, Deutscher in London zu sein, wir sind in Deutschland ja mit anderen kulturellen Maßstäben traditionell verhaftet, als z.B. die in London florierende Popkultur?
Ich wohne seit 10 Jahren in London, ich bin in dieser Kultur drin, aber ich finde, sie ist zu eng. Es wird garantiert montierte Geräuschebenen geben, denn ich kann mir kein Drum & Bass Album anhören, was 60 Minuten lang durchheizt. Ich stelle ein Höralbum, keine Compilation von Clubtrax, her. Für mich war auch 'Oben im Eck' ein Popalbum, nur das Material, mit dem ich gearbeitet habe, war halt Avantgarde-Material, aber die Beats waren ganz einfach auch die Hooklines. Jetzt arbeite ich mit Pop-Material, aber die Vorgehensweise ist die Gleiche. |