Ina Wudtke

Interview mit Art Jones

NOT CHANNEL ZERO teilen sich ein Büro mit Paper Tiger (s. erste 'Neid'); sie arbeiten ebenfalls im Kollektiv. Sie sind afro-amerikanische und latino Film- und Videokünstler mit dem Schwerpunkt, der afro-latino-community ein alternatives Fernsehprogramm zu bieten, das sich verstärkt ihren Belangen widmet, die im mainstream-Sender nur allzu oft unter den Tisch fallen. Den Sender gibt es seit 1990, und sie hatten große Schwierigkeiten ihr, im amerikanischen Mediengesetz verankertes Recht auf Sendeanteile einzuklagen. Mittlerweile gibt es wöchentliche Sendungen (mit 1 Mill. Zuschauern) auf dem, im Gegensatz zu Deutschland, stark ausgelasteten Offenen Kanal in N.Y. City. Auch werden sie mittlerweile staatlich gefördert. In ihrem Büro sah ich Videotapes z.B. von Cyrill über Frauen in den Medien und im Hip Hop, Sendungen über Demonstrationen gegen den Irak-Krieg - Videos, die in den Workshops entstanden sind, die Not Channel Zero mit Jugendlichen zusammendrehen, denen sie Einführungskurse, Equipment und Themen stellen. Es ging um Überfälle von weißen Polizisten auf Afro/Latinos und um die Prozesse, aus denen die Polizei straffrei hervorging ... - aber auch um gesunde preiswerte Ernährung (was in den USA ein ernstzunehmendes Problem ist), die Schließung von Parkanlagen um Obdachlose zu vertreiben etc. Ich führte ein Gespräch mit Cyrill und Art. Art studiert Kunst und seine Filme haben inhaltlich und ästhetisch einen starken Bezug zu Hip Hop. So untersucht sein Film Know Your Enemy z.B. den Vorwurf, der Public Enemy gemacht wurde - sie seien rassistisch und wie dieses Problem in den Medien behandelt wurde. Gespräche mit Journalisten, Musikern, Freunden und natürlich P.E.-Musik kommen aus dem Off. Für ein deutsches Fernsehauge arbeitet er mit sehr schnellen Schnitten, Fragmenten, Störbildern, Straßenaufnahmen oder eingeblendeten Worten bzw. Rapzitaten. Gut gefallen hat mir auch sein Portrait über KRS One, mit dem er gut bekannt ist (Knowledge Reights Supreme).

Könntest Du beschreiben, was Du in Bezug auf Deine Filme als Hip Hop Ästhetik verstehst?
Art: Also zuallererst muß ich einmal sagen bin ich ein Künstler, genauer gesagt ein Videokünstler, der versucht mit Hip Hop zu arbeiten. Ich stehe in der Schuld der Hip Hop Musiker, weil die Entwicklung in ihrem Bereich viel weiter fortgeschritten ist als in unserem Bereich ... schon alleine die Art, wie sie sich ausdrücken können im Vergleich zu uns (Künstlern) - was wir tun, kommt aus einer ganz anderen Ecke, wir sind immer noch in einer Tradition gefangen, die aus einem ziemlich abgehobenen Kunstkontext kommt, also versuchen wir von der Musik zu übernehmen. Aber ich mag es, es motiviert total ... ja am liebsten würde ich mal einen Film machen, der so einschlägt wie eine tolle LP, ja ich glaube, das ist mein Ziel. (Gelächter) Aber OK, eine ästhetische Lösung, die ich gefunden habe, hat damit zu tun, die Dinge so zu (über)nehmen, wie sie erscheinen. Und das hat glaube ich etwas mit Hip Hop im allgemeinen zu tun. - Die Art wie wir angreifen, die Art wie wir mit Videoausschnitten umgehen - bekannte Filmausschnitte, die verändert werden, um etwas mehr Relevanz für die Leute zu bekommen, für ihr Leben - Du klaust z.B. etwas von einer wichtigen TV Show ... verstehst Du?
Du meinst im Prinzip sampling?
Art: Genau - dann zeigst Du diesen bekannten Filmausschnitt dem Zuschauer in einer anderen Art und Weise - Du vertauscht das Image - und dann durchschaust Du die Bedeutung. Da ist z.B. dieser Nachrichtensprecher, der was sagt, von dem Du glaubst, daß das, was er da sagt, eine Lüge ist, und Du zeigst auch, warum es eine Lüge ist, indem Du das Image zerstörst, indem Du es anders zusammenschneidest (was kommt vorher, was kommt danach). Dann taucht das selbe später noch einmal auf, Du zeigst es diesmal vielleicht nicht genauso wie beim ersten Mal, vielleicht als straight up aber dann erscheint es wieder, wie eine Art Bruch - weißt Du? - Also ich glaube das ist ein ganz gutes Beispiel für meine Arbeitsweise - also Bilder/Frequenzen wiederholen, die sich dadurch unterscheiden, wie sie sich wiederholen - das kann man auch machen, indem man einfach einen anderen Ton unterlegt. Ich für meinen Teil spiele einfach endlos mit Bildern herum, das ist dann klar: Realität besteht aus Bildern/Images. Etwas ist noch lange kein Dokumentarfilm, weil man eine Kamera nimmt, raus geht und filmt. Was Not Channel Zero präsentieren, ist Realität, aber da ist immer jemand dahinter, der sie macht. Um das zu zeigen, spiele ich mit Images herum, aber das ist nur eine Möglichkeit das zu zeigen.
Um noch mal auf die unterschiedlichen Ursprünge von Hip Hop und Kunst zurückzukommen: meine sogenannten 'homies' haben mich ja beschuldigt von 'ihrer Kultur' zu klauen - werden Deine Filme innerhalb der Musikszene akzeptiert?
Art: Oh, ok ich habe meine Filme Chuck D. und KRS One gezeigt, und für sie ist es eine Art Begleiterscheinung, weil es nicht Musik ist, aber ich glaube sie haben verstanden woran ich arbeite, und sie respektieren das. Aber ich glaube sie haben nie wirklich verstanden, in welcher Weise es mit ihrer Musik zusammenpaßt, weil Musik so ein abgetrennter großer Bereich ist und nur in diesem bewegen sie sich. Oft denken Rapper nicht visuell - sie sind große Erzähler ... für einen visuell arbeitenden Künstler ist es wiederum schwer, da ran zu kommen ... aber ich versuche es. Ich versuche genau zu beobachten, was in der Musik passiert, das inspiriert mich. Aber Musiker bekommen keine Inspiration von dem was wir machen, weißt Du, also es ist eine Art einseitige Beziehung. Aber ich glaube der Respekt kommt mit der Arbeit und deren Präsentation. Und ich glaube, eine Arbeit sollte so vielen Leuten wie möglich präsentiert werden. Rapper können/wollen auf diese Weise Geld machen, aber ich bin nicht im Mainstream-Markt. Aber schau Dir Public Enemy an, die gibt es weltweit, aber sie stehen immer noch für die Dinge, für die sie am Anfang auch standen, genau das halte ich für wichtig.
Ich finde Public Enemy Videos kommen sehr nah an Deine Art Filme zu machen heran. Hast Du jemals daran gedacht, Musikvideos zu machen?
Art: Ich mag Public Enemy Videos, aber der größte Teil der Hip Hop Videos ist so dünn und clean à la 'lass uns Verkleiden spielen', haha, also das sagt überhaupt nichts über die Musik aus, es paßt einfach nicht. Also versuche ich, andere Möglichkeiten zu finden. Allerdings habe ich auch ein Musikvideo gemacht. Ich bin an der Zusammenarbeit mit Gruppen interessiert, die noch nicht entdeckt worden sind. - Das ist so eine Art Projekt an dem ich gerade arbeite - die Gruppen kommen alle aus Harlem, Bronx, Brooklyn...
Hast Du mit diesen Gruppen Austausch über visuelle Ideen für die Videos?
Art: Ja klar, also ein Stück hieß 'Warriors of the Wasteland', und wir haben diese Gegenden aufgesucht, in denen sie überlebt haben ... Ein super Low Budget Film, den wir in Brooklyn gedreht haben. Dann haben wir einige Schallplatten zertreten, das sollte sozusagen Mainstream Hip Hop symbolisieren, haha, das war das Konzept, und die ganze Posse stand hinter ihnen. Es war eine gute Zusammenarbeit. Ich gehe immer ins National Black Theater, da tauchen ne Menge Gruppen auf, und ich versuche da Kontakt aufzunehmen. Das sind alles Rapper. Ich filme mit meinem Video rum und frag sie später, ob sie Lust haben, zusammen mit mir einen Videofilm zu machen. So versuche ich die Leute dazu zu bringen, Soundtracks für meine Videos zu machen. Es ist interessant, wenn Du in der Szene bist, dauernd passiert etwas und die Dinge verändern sich sehr schnell und man selbst verändert sich mit ihnen ... Einerseits gehe ich auf eine der besten Schulen der Welt, aber die liegt nur 20 Minuten von der Bronx, wo ich herkomme, und da mache ich auch alle meine Projekte. Ich brauche das. Im Moment will jeder Party-Promoter sein.
Die Straße is noch immer der zentrale Ort zum Abhängen, genauso um die Clubs herum, die nomadisierenden Parties in verschiedenen Clubs. Du kriegst auf der Straße Flyer, wenn die Leute meinen, daß Du hip bist. Ich würde gern eine Multimedia-Party machen, mit Videos, Rappern, Straight Up Poetry. Sowas in der Art. Ich will sehen, ob sich das regelmäßig machen ließe. Ich hab's bisher einmal gemacht. Beats and presentation - das ist es, woran ich arbeite. Im Sommer gehe ich in den Park mit einem DJ, Videoprojektor, Leinwand und mixe dann Bilder zur Musik...
Ah, da kannst du dann auch Leute erreichen, die kein Geld für Kabel TV haben.
Art: Ja, für Leute wie mich, haha, aber die Videoworkshops sind echt klasse. Wir zeigen den Leuten, wie sie grass routs Filme machen können und zwar billig!
Wurde Not Channel Zero je zensiert?
Art: Nein, bis jetzt noch nicht.
Cyrill, mir ist aufgefallen das die politischen Probleme in den USA im allgemeinen noch härter sind als in Deutschland. Ab wann gibt es da für Dich einen Punkt, mehr zu tun als zu informieren? Von Hip Hop Plattencovern sind mir einige Aktivistengruppen bekannt, habt ihr oder Du zu einigen von diesen Gruppen Kontakt bzw. arbeitet ihr mit ihnen zusammen?
Cyrill: Jede Gruppe, ob sie nun radikal auftritt oder sich gegen amerikanische Politik (gegenüber anderen Ländern oder einer speziellen Gruppe von Leuten) engagiert; alle diese Gruppen sind gegen die gleichen Ideen. Wenn Du Dich selbst als Radikaler oder gar als Terrorist bezeichnest, haben die Medien wie die Polizei Mittel, Dich fertig zu machen und alle Leute, die Dich unterstützen, gegen Dich aufzubringen. Ich glaube viele der Gruppen, die als terroristisch bezeichnet werden, sind keine Terroristen, das ist einfach der beste Weg sie zu isolieren oder Fronten zu verhärten. Wir haben eine Sendung über verschiedene lokale urbane Protestaktionen gemacht, und diese Sendung wurde z.B. von der 'number 12 movement' und 'black consiousness movement' geleitet, weil die eben auch viele der Aktionen, um die es ging, organisiert haben. Ralleys z.B., bei denen es erstmal nur darum geht, die Leute zusammenzubringen und sie auf eine bestimmte Sache aufmerksam zu machen. Aber auch um den Leuten, die dagegen sind, klar zu machen, daß es Leute gibt, die mitbekommen haben, was los ist. Auf einer Ralley gibt es Lautsprecher, Flyer, Informationen.
Im Moment erfahren sogenannte schwarze Themen einen industriellen Hype. Woher kommt das Deiner Meinung nach und wie wirkt sich das auf eure Arbeit aus?
Cyrill: Die Art und Weise, in der schwarze Leute vermarktet werden, ist von der Sorte 'Gettoleute', einiges davon ist Teil der zeitgenössischen Stadt-Kultur z.B. Hip Hop. Die Art nach der diese Leute handeln - ja das ist ein Aspekt einer schwarzen Lebensweise, aber es ist auch nicht die einzige Perspektive, die es von uns gibt, man reißt da etwas aus dem Zusammenhang und es interessiert keinen, worum es wirklich geht. Das ist das Problem, was ich mit Hip Hop habe und mit der Art und Weise, in der Leute in schwarzen Filmen verraten werden. Es ist einfach nicht das, worum es im ganzen geht. Hip Hop ist Ausdruck einer Kultur von Leuten, die unterdrückt sind. Jetzt ist es eine Form von Leuten, die so viele Mittel zur Verfügung haben, die man normalerweise einfach nicht besitzen kann: Sampel machen , Plattenspieler kaufen, immer neue und alte Platten - was man heute im Hip Hop sieht ist total kommerziell, genauso ist es mit schwarzen Filmen, die bringen die Dinge von ihren Ursprüngen weg, heute kann man nicht einfach einen Beat von einer Platte nehmen und drüberrappen - Du brauchst ungeheuer viel Technologie - und somit geht es auch nicht mehr im Kern um schwarze Leute...

NOT CHANNEL ZERO
the revolution televised

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